Ein Jahr nach der Havarie: Aktueller Stand am Tunnel Rastatt
Ein Jahr nach der Havarie vom 12. August 2017 schreiten die Arbeiten am Tunnel Rastatt weiter voran. Der Rückbau des Betonpfropfens in der Oströhre ist abgeschlossen und das vertiefende Erkundungsprogramm wurde im September 2018 beendet. Das zwischen der Arbeitsgemeinschaft Tunnel Rastatt (Hochtief und Züblin) und der Deutschen Bahn vereinbarte Beweiserhebungs- und Schlichtungsverfahren zur Klärung der Ursachen des Schadens beim Tunnelvortrieb dauert noch bis Anfang 2019 an.
Nach der Havarie wurde zunächst intensiv daran gearbeitet, den Schaden an der Rheintalbahn zu beheben und den Bereich oberhalb der Tunnelröhren dauerhaft zu stabilisieren. In die beschädigte Tunnelröhre Ost mit der TBM wurden insgesamt rund 10 500 m3 Beton eingepumpt, um die darüber liegende Strecke gegen Setzungen zu sichern. Um die Gleise der Bahnstrecke wiederherzustellen, wurde eine massive, 270 m lange und 1 m dicke Betonplatte gebaut. Gleichzeitig wurden Injektionsschläuche eingebaut, um für den Fall von Setzungen Beton einpressen zu können. Am 2. Oktober 2017 konnte der Verkehr auf der Rheintalbahn wieder rollen und der Vortrieb in der Weströhre wurde fortgesetzt. Nach 3672 m Vortrieb erreichte die TVM „Sibylla-Augusta“ Anfang Dezember 2017 den Schacht vor der Rheintalbahn, wo sie seitdem in Warteposition steht.
Grundwasserwannen und Sonic Boom Bauwerk
Auch wenn die letzten Meter der beiden je 4270 m langen Tunnelröhren bislang nicht aufgefahren werden können, gehen die Bauarbeiten dennoch weiter. Hierzu gehören etwa die Arbeiten in Niederbühl an der Grundwasserwanne Süd, wo Ende Mai 2018 Taucher zum Einbringen des Unterwasserbetons eingesetzt waren.
Im Süden wurde auch planmäßig in offener Bauweise das Tunnelbauwerk auf einer Länge von 250 m weitergeführt und das Sonic Boom Bauwerk (zur Vermeidung des sogenannten Tunnelknalls) hergestellt. Am Nordportal in Ötigheim laufen die Arbeiten zur Anbindung der Grundwasserwanne Nord an das Tunnelportal. Hier wird der Tunnel auf einer Länge von rund 50 m in offener Bauweise hergestellt.
Abbau Betonpfropfen in der Oströhre
Als Sofortmaßnahme am 12. August 2017 wurde unterhalb des abgesenkten Gleisbereichs ein Betonpfropfen als Schutz in den Tunnel eingebracht, der den intakten Tunnel in Richtung Norden vom Schadensbereich abtrennte. Die einbetonierte Strecke beträgt insgesamt ca. 160 m. Anfang Februar 2018 begannen die Arbeiten für den Rückbau des rund 2000 m3 großen Betonpfropfens. Die Tunnelsohle erhielt eine provisorische Schotterauffüllung, damit die Röhre mit Lkw zum Materialabtransport befahren werden kann. Der Beton wurde am Pfropfen mit Hilfe eines Kettenbaggers mit speziellem Schneidkopf mittlerweile komplett abgebaut. Zusätzlich wurden weitere 6 m der Betonverfüllung mit Meißel und Fräsen entfernt. Von hier bis zum Erreichen des Nachläufers müssten nun noch ca. 40–50 m Betonverfüllung in der Röhre abzubauen sein, bevor der schwierige Teil beginnen kann: die Befreiung der einbetonierten TBM mit Nachläufer auf einer Strecke von rund 90 m.
Versorgungs- und Rettungsschacht
Im Anschluss an die Befreiungsarbeiten am Betonpfropfen wird eine Öffnung durch die Tunneldecke zur Erdoberfläche hergestellt. Dieser Schacht dient als Rettungsweg aus der Tunnelröhre (für den Innenausbau sind zwei Fluchtwege vorgeschrieben) sowie zur logistischen Versorgung der weiteren Bauarbeiten, zum Beispiel für den Bau der neun Querschläge in den unbeschädigten Bereichen der beiden Röhren. Um keine weitere Zeit zu verlieren, werden – soweit möglich – bereits der Unterbau vorbereitet, Gleise verlegt und Oberleitungen angebracht.
Umfangreiches Bohr- und Erkundungsprogramm
Die ARGE Tunnel Rastatt führt zusammen mit der Deutschen Bahn seit Mitte Mai 2018 ein Bohrprogramm zur vertiefenden Erkundung des Baugrundes durch. Im Bereich der Unterquerung der Rheintalbahn und in dessen Umfeld wurden mit vier Kernbohrmaschinen auf einer Länge von etwa 300 m insgesamt rund 60 Bohrungen durchgeführt, neun davon werden zu Grundwassermessstellen ausgebaut. Das Ende des Bohrprogramms war für Mitte bis Ende September 2018 vorgesehen.
Gleichzeitig mit den Bohrungen wurden die Ergebnisse ausgewertet. In einem Kernlager wurden die Bohrkerne von Geologen untersucht und protokolliert. Außerdem wurden Proben entnommen und zur Auswertung ins Labor geschickt. Die Ergebnisse der Probebohrungen sollen weitere Hinweise über die Ursachen der Havarie liefern. Auf dieser Basis kann ein Konzept zum weiteren Vortrieb der Weströhre entwickelt werden. Zudem ist die Ursachenanalyse Grundlage für die weitere Vorgehensweise in der Oströhre und zur Demontage der einbetonierten Tunnelvortriebsmaschine.
Schlichtungsverfahren dauert an
Aktuell dauert das zwischen der DB und der ARGE Tunnel Rastatt vereinbarte Beweiserhebungs- und Schlichtungsverfahren zur Klärung der Ursachen des Schadens beim Tunnelvortrieb im August 2017 noch an. Ein Ende des Schlichtungsverfahrens mit Ergebnissen zu den Schadensgründen wird nicht vor Anfang 2019 erwartet.
Zudem hat die Deutsche Bahn Konsequenzen aus dem Vorfall in Rastatt und der nachfolgenden Streckensperrung mit Auswirkungen auf den gesamten europäischen Güterverkehr gezogen. Interne Prozesse wurden überprüft, angepasst und verbessert. Es wurde ein Handbuch für internationales Störfallmanagement erstellt, um im Ereignisfall mit einheitlichen Prozessen und besserer Kommunikation reagieren zu können. Der Eisenbahnsektor gründete den „Runden Tisch Baustellenmanagement“ zur Optimierung der Bauprozesse, Baukommunikation uvm. im Hinblick auf Modernisierungen im Streckennetz.
Dipl.-Ing. Roland Herr, Internationaler Freier Journalist/inernational freelance journalist, Wetzlar (Deutschland/Germany)/Bangkok (Thailand), herrroland@t-online.de