Wenn Wasser „bergauf“ fließen muss –Entwässerung der Lärmschutzgalerien an der A 96

Im Rahmen des sechsstreifigen Ausbaus der deutschen Autobahn A 96 zwischen Oberpfaffenhofen und Germering-Süd werden zwei Lärmschutzgalerien in den Bereichen der Städte Gilching und Germering errichtet. Die Entwässerung dieser Galeriebauwerke folgt den Richtlinien für Tunnelbauwerke. Um Oberflächenwasser, Löschwasser oder Havarieflüssigkeiten sicher aufnehmen zu können, kommt ein modifiziertes Entwässerungssystem aus Schlitzrinnen mit Eigengefälle zum Einsatz.

Ausbau der A 96

Ein Großteil der Gesamtkosten für die knapp 9 km lange Strecke auf der A 96 fließt in die Erweiterung von vier auf sechs Fahrstreifen. Dazu gehören der Einbau einer Asphaltdeckschicht aus offenporigem Asphalt (lärmmindernde Wirkung 5 dB (A)) und die Errichtung von sogenannten Lärmschutzgalerien (Bild 1). Diese sind wie ein Halbtunnel konzipiert und in Richtung Wohnbebauung geschlossen, um die Anwohner der Städte Gilching und Germering vor dem künftig noch stärkeren Verkehrslärm zu schützen. Im Bereich Gilching entsteht unter Aufrechterhaltung des Verkehrs bis 2020 eine etwa 520 m lange Galerie, und im Bereich Germering beträgt die Länge 965 m.

Galeriebauwerke, wie auf der Autobahn 96, sind bezüglich ihrer Entwässerung Tunnelbauwerken gleichgesetzt. Bei der Planung der A 96 stand der Havariefall im Vordergrund. Zweitrangig war das Ableiten von Niederschlagswasser am Portal wie auch das Schleppwasser der Fahrzeuge. Um das Oberflächenwasser, Löschwasser oder eventuell bei einem Unfall austretenden Flüssigkeiten sicher und schnell aufzunehmen, wurde ein modifiziertes Entwässerungssystem eingesetzt. Diese Tunnelrinne erfüllt alle Anforderungen der RABT und der ZTV-ING.

Die Vorgaben der RABT und ZTV-ING

Die „Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln“, kurz RABT, sind die Basis für das hohe Sicherheitsniveau in deutschen Tunnelbauwerken. Sie setzen die Anforderungen zur Vermeidung von Ereignissen und an den Personenschutz in Tunneln fest. Ein umfassender Schutz wird durch bauliche Vorkehrungen hinsichtlich Licht, Luft, Wasser und Energie bei der Tunnelausstattung gewährleistet. Dabei spielt die Anordnung von Sicherheitseinrichtungen ebenso wie die Materialwahl der Ausstattung eine wesentliche Rolle. In der RABT geht es vorrangig um die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln. In den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten“ (ZTV-ING) werden die Festsetzungen zur Baudurchführung im weitesten Sinne beschrieben, darunter auch Anforderungen an Stoffe, Stoffsysteme und Bauteile.

Entwässerungseinrichtungen in Tunneln

Für Tunnelbauwerke sind hinsichtlich der Baustoffe besondere Anforderungen auch an Entwässerungseinrichtungen gestellt. So müssen neben nicht kontaminiertem Oberflächenwasser auch brennbare und gefährliche Flüssigkeiten aufgefangen und schnellstmöglich in ein geschlossenes System geleitet werden. In den ZTV-ING – Teil 5 Tunnelbau heißt es dazu:

Folgende Wässer und andere Flüssigkeiten, sind nach Herstellen des Tunnels über die Entwässerung abzuleiten:

● Bergwasser, soweit der Tunnel nicht druckwasserhaltend ausgebildet wird,

● Niederschlagswasser,

● Waschwasser,

● Löschwasser und

● andere Flüssigkeiten, wie z.B. Mineralöle und Chemikalien, die aus dem Transportgut von Fahrzeugen stammen. [1]

Weiter sind in den ZTV-ING – Teil 5 folgende Anforderungen festgehalten:

● Die anfallenden Wässer und anderen Flüssigkeiten sind in der Hauptröhre in einer am tieferliegenden Fahrbahnrand angeordneten Schlitzrinne zu fassen. Diese ist im Abstand von höchstens 50 m über einen Siphon oder über einen Schacht mit Tauchwand an die Längsentwässerungsleitung anzuschließen. Im Bereich geringer Tunnellängsneigung muss der Abstand der Schächte reduziert werden. Die Schlitzrinne ist der Klasse D400 zuzuordnen.

● Aus Brandschutzgründen muss die Schlitzrinne hinter jeder Abzweigung zur Hauptleitung eine Abschottung erhalten. Das Mindestsohlgefälle der Schlitzrinne beträgt 0,5 %.

● Der Mindestdurchmesser der Längsentwässerungsleitung beträgt 300 mm, die Mindestlängsneigung 0,5 %. [2]

Polymerbeton als Baustoff für Entwässerungseinrichtungen

Mit der Fassung 03/12 der ZTV-ING – Teil 5 Tunnelbau sind Schlitzrinnen aus Polymerbeton für den Einsatz in Tunneln zugelassen. Damit ist Polymerbeton dem Werkstoff Beton in der Tunnelanwendung gleichgestellt. Dazu heißt es in den ZTV-ING – Teil 5:

● Für Schlitzrinnen gilt DIN EN 1433 und DIN 19580. Sie sind den Expositionsklassen XF4 und XD3 gemäß dem DIN-Fachbericht „Beton“ zuzuordnen.

● Es sind Schlitzrinnen aus Beton und Polymerbeton zugelassen. [3]

Was den Einsatz von Schlitzrinnen aus Beton und z. B. ACO-Polymerbeton betrifft, ist der Vergleich der beiden Baustoffe in der Praxis sehr interessant. Denn Polymerbeton weist gegenüber Beton wesentliche Vorteile auf. Bei vergleichbarer Dichte verfügt Polymerbeton über wesentlich höhere Festigkeitswerte bei geringerem Gewicht. Polymerbeton ist wasserundurchlässig; Frostschäden können somit ausgeschlossen werden. Durch eine Eindringtiefe vom 0 mm lässt die glatte Oberfläche Wasser und Schmutzpartikel schnell abfließen. Außerdem ist Polymerbeton auch ohne zusätzliche Beschichtungen beständig gegenüber aggressiven Medien.

Bei der Fertigung von Entwässerungsrinnen für Anwendungen im Tunnel setzt ACO eine Polymerbeton-Sondermischung ein, die allen Anforderungen der Klassifizierung eines nicht brennbaren Baustoffes entspricht. Damit ist das mit modernsten Fertigungstechnologien hergestellte Material der Brandklasse A2-s1, d0 „nicht brennbar“ nach DIN EN 13501-1 zugeordnet.

Tunnelrinnen mit Eigengefälle

In der Regel ist bei Straßentunneln ein ausreichendes Längsgefälle von > 0,5 % in der Fahrbahn durch die Längsgradiente gegeben, und die maximale Haltungslänge von 50 m kann erreicht werden. Lediglich an den Tief- und Hochpunkten, bei Einhausungen im innerstädtischen Bereich oder sogenannten Galeriebauwerken kann es zu Längsneigungen in der Fahrbahn von < 0,5 % kommen. Hier muss auf Tunnelrinnen mit Eigengefälle zurückgegriffen werden – so geschehen bei den Galerien Gilching und Germering an der A 96 (Bild 2).

Nach RABT und ZTV-ING gilt für die Entwässerung von Tunnelbauwerken unter anderem, dass im Havariefall mindestens 100 l/s abgeleitet werden können. Des Weiteren darf die Haltungslänge maximal 50 m betragen, wobei das Mindest-Längsgefälle von 0,5 % einzuhalten ist. Darüber hinaus muss durch die Ausbildung eines Siphons ein Durchschlagen der Flammen verhindert werden [2]. Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen wurde für die Entwässerung beider Galeriebauwerke das ACO Drain Tunnelrinnensystem erweitert. Bei den Bauvorhaben Galerie Gilching und Germering wurde die neue Tunnelrinne ACO Drain Monoblock T 200 V mit 1 % Eigengefälle eingesetzt. Dadurch wurden größere Haltungslängen möglich, was wiederum die Gesamtinvestitionskosten bei den Bauherren minimiert.

Es stehen 12 Rinnentypen mit Gefälle zu je 2 m Baulänge zur Verfügung, die entgegen des Oberflächengefälles verlegt werden können, da das effektive Fließgefälle > 0,5 % zum Ablaufpunkt sichergestellt ist. Somit können beidseitig zum Tauchwandschacht 24 m Rinnen verbaut werden, was in Summe die Anzahl von Tauchwandschächten reduziert. Weiterhin konnte die Nennweite und somit die Bauteilbreite auf NW 200 begrenzt werden, bei sichergestellter hydraulischer Leistungsfähigkeit.

Ergänzt wird das Programm in der Ausführung mit seitlichen Öffnungen zum Entwässern von offenporigem Asphalt, welcher in den Portalbereichen der Galeriebauwerke verwendet wurde. Innerhalb der Galerien wurde eine Betonfahrbahn hergestellt, sodass der Rinnenstrang in Standardbauweise verlegt wurde.

Tauchwandschacht mit beidseitigem Zulauf

Der Tauchwandschacht ist das Übergangselement und wirkt als Schottung. Er trennt das geschlossene Entwässerungssystem, die Längsentwässerungsleitung, vom offenen Entwässerungssystem der Tunnelrinne. Die integrierte Tauchwand wirkt wie ein Siphon. Eine Mindestflüssigkeitsfüllung im Schachtboden und die Tauchwand wirken als Brandschott gegen Flammendurchschlag zur Längsentwässerungsleitung und als Geruchsverschluss. Der Schacht mit beidseitigem Zulauf für die modifizierte Rinnenkonstruktion, ist eine Neuentwicklung (Bild 3). Zur optimalen Hydraulik wurde ein zum Patent angemeldeter neuer Tauchwandschacht mit strömungsoptimierter Auslaufvoute als Zwischenschott und Ablaufelement konstruiert. Durch die Halbierung der Anzahl an Tauchwandschächten und Abdeckungen zur Reinigung und Inspektion wurden nicht nur die Gesamtinvestitionskosten reduziert. Auch der Betriebs- und Unterhaltungsaufwand konnte so minimiert werden.

References/Literatur
[1] ZTV-ING – Teil 5 Tunnelbau – Abschnitt 1 Geschlossene Bauweise/Abschnitt 2 Offene Bauweise, 9.3 Entwässerungsanlagen, 9.3.1 Allgemeines, BASt – Bundesanstalt für Straßenwesen
[2] ZTV-ING – Teil 5 Tunnelbau – Abschnitt 1 Geschlossene Bauweise/Abschnitt 2 Offene Bauweise, 9.3.4 Bauliche Ausbildung der Längsentwässerungsleitungen, BASt – Bundesanstalt für Straßenwesen
[3] ZTV-ING – Teil 5 Tunnelbau – Abschnitt 1 Geschlossene Bauweise/Abschnitt 2 Offene Bauweise, 5.2.5 Dränagerohre, Entwässerungsrohre und Schlitzrinnen, BASt – Bundesanstalt für Straßenwesen
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