Neubau Tagbautunnel Hagnau

Im Rahmen des Erhaltungsprojektes Schänzli wurde der Tunnel Hagnau in offener Baugrube abgebrochen und neu erstellt. Er befindet sich im Bahndamm der SBB, und sieben Gleise führen darüber. Gefordert wurde das Aufrechterhalten des Betriebs von Bahn und Nationalstraße während der gesamten Bauzeit. Dieses Projekt gibt einen Einblick über innovative Planung beim Bauen im Bestand. Der vorliegende Fachbeitrag wurde beim Kolloquium im Rahmen des Swiss Tunnel Congress 2023 als einer von zwei Vorträgen mit dem ersten Platz ausgezeichnet.

1 Erhaltungsprojekt Schänzli
1.1 Gesamtprojektübersicht

Das ASTRA-Erhaltungsprojekt Schänzli im Kanton Basel- Landschaft beinhaltet die umfassende Instandsetzung des Autobahnabschnitts Verzweigung Hagnau bis Anschluss Muttenz Süd der Nationalstraße A2 und A18 in mehreren Teilprojekten. Über eine Länge von rund 10 km wurde das Trassee erneuert. Neben dem Neu- und Erweiterungsbau von Lärmschutzwänden wurde im Wesentlichen der Straßenbelag durch einen lärmarmen Belag ersetzt. Im gesamten Projektperimeter wurden zudem die Autobahnauf- und -ausfahrten saniert. Diverse Kunstbauten wurden instandgesetzt, verstärkt oder teilweise neu gebaut. Wo möglich, wurden Spuranordnungen neu geregelt, um den Verkehrsfluss zu optimieren und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Zum Thema Umweltschutz wurden im Rahmen des Projektes diverse Maßnahmen umgesetzt. Entwässerungs- und Sickerleitungen wurden ersetzt, im Bereich des Anschlusses Muttenz Süd wurde eine neue Straßenabwasser-Behandlungsanlage und für den Tunnel Schänzli ein Havariebecken erstellt.

Namensgeber des Projektes war der Tunnel Schänzli, dessen beide Röhren umfassend saniert worden sind. Neben großflächigen Betoninstandsetzungen wurden auch hier der Belag und die angrenzenden Bankette erneuert. Entwässerungs- und Löschwasserleitungen wurden ersetzt. Zur Erhöhung der Tunnelsicherheit wurde ein zusätzlicher Fluchtweg realisiert.

Dem Tunnel Schänzli vorgelagert ist der Tunnel Hagnau. Bereits bei der Erstellung des Erhaltungskonzeptes wurde entschieden, den Tunnel abzubrechen und neu zu bauen. Zwischen den beiden Tunneln befindet sich der Verzweigungsbereich mit der Ausfahrt Muttenz Nord. In diesem Bereich wurde eine neue Tunnel-Betriebszentrale zur Unterbringung der notwendigen technischen Infrastruktur für die beiden Tunnel Schänzli und Hagnau erstellt. Der Zugang erfolgt oberirdisch von der Birsfelderstraße her.

Das gesamte Projekt wurde in den Jahren 2017 bis 2022 ausgeführt. Die Kosten haben rund 240 Millionen Schweizer Franken betragen.

1.2 Übergeordnete Projektziele

Mit der Gesamterneuerung des Abschnitts Verzweigung Hagnau bis Anschluss Muttenz Süd wurden diverse Ziele verfolgt. Es musste eine möglichst interventionsfreie Betriebszeit der Anlage von mindestens 15 bis 20 Jahren sichergestellt werden. Das Beheben von Unfallschwerpunkten und damit die Verbesserung der Verkehrssicherheit war eines der Hauptziele und wurde durch die Optimierung von Spuranordnungen und, wo möglich, Fahrstreifenaddition erreicht. Dabei waren die aktuellen Normen und Richtlinien möglichst einzuhalten. Bei der Umsetzung von Erhaltungsprojekten und Bauen im Bestand gibt es viele einschränkende Randbedingungen, welche ebenfalls zu berücksichtigen waren und mit den diversen Vorgaben in Einklang gebracht werden mussten.

2 Teilprojekt Tunnel Hagnau
2.1 Lage und Übersicht

Das eigentliche Herzstück des Erhaltungsprojektes ist der Tunnel Hagnau. Er liegt zwischen der Autobahnauffahrt im Norden und dem Verzweigungsbereich Ausfahrt Muttenz Nord und Tunnel Schänzli im Süden. Der Teilprojektabschnitt ist rund 100 m lang, mit 60 m Länge Tunnel Hagnau und 40 m Verzweigungsbereich. Der Tunnel Hagnau befindet sich komplett im Bahndamm der SBB. Sieben Gleise verlaufen quer über den Tunnel, darunter auch die Gleise der Hauptverkehrs­achse Olten–Basel.

Umsetzungshorizont für das Teilprojekt Tunnel Hagnau war der Zeitraum zwischen 2017 und 2020. Die Kosten für den Abbruch und Neubau des Tunnels sowie den Neubau der Betriebszentrale haben rund 60 Millionen Schweizer Franken betragen.

2.2 Bestand Tunnel und Geologie Bahndamm

Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts verläuft eine Bahnlinie auf einem geschütteten Damm in der Hagnau und wurde seit jeher von einer Straße durchquert. Mit dem Bau des Rangierbahnhofs Muttenz in den 1920er-Jahren sollte der Bahndamm erweitert werden. In diesem Zusammenhang wurde der Tunnel Hagnau im Tagbau mit einer lichten Breite von 8 m und einer Länge von rund 60 m erstellt.

In den 1970er-Jahren wurde der Tunnel Hagnau Bestandteil der damals neuen Nationalstraße. Das Trassee musste an die neue Linienführung angepasst und schätzungsweise rund 4 m tiefer gelegt werden, sodass der Bestand unterfangen wurde. Mit der vorhandenen Breite von 8 m konnte der Verkehr im Tunnel zweispurig geführt werden; für einen Standstreifen war kein Platz vorhanden. Zeitgleich mit der Unterfangung des Tunnel Hagnau wurde im Süden der neue Tunnel Schänzli mit einer lichten Breite von 10 m gebaut.

Mit der Tieferlegung der Fahrbahnebene wurden im Verzweigungsbereich massive Stützkonstruktionen erforderlich. Im Bereich des anstehenden Bahndamms wurde ein vorgespanntes Rahmentragwerk als Verlängerung des Tunnel Hagnau realisiert. Die Stützkonstruktionen wurden in einer offenen Baugrube erstellt, wozu der Bahndamm mit einer rückverankerten Elementwand gesichert wurde. Der Bereich zwischen Rahmentragwerk und Tunnel Schänzli war aus lärm- und lichttechnischen Gründen mit einem Blech abgedeckt.

Um Platz für weitere Bahnverkehrsträger zu schaffen, wurden Dammschüttungen ergänzt. Aufgrund dieser abschnittsweisen und zeitversetzen Erstellung besteht der Bahndamm geologisch gesehen aus verschiedenen Aufschüttungsmaterialien. Alte Baugrubenabschlüsse und Rückstände von Bauhilfsmaßnahmen sind ebenfalls Bestandteile des Damms. Unterhalb der künstlichen Dammschüttung befindet sich Birsschotter, welcher einen Grundwasserträger mit einer mittleren Mächtigkeit von etwa 5 m und jahreszeitlichen Schwankungen von 1 m aufweist. Die Tunnelsohle liegt nicht im direkten Einflussbereich des Grundwassers. Unter dem Birsschotter befindet sich tertiärer Cyrenenmergel. Er weist eine quasi horizontale Oberfläche unter dem Tunnelbauwerk auf. 

2.3 Randbedingungen

Aus den beschriebenen bestehenden Umständen ergaben sich diverse Randbedingungen, welche beim Bauen im Bestand zu berücksichtigen waren. An oberster Stelle stand der sichere und reibungslose Betrieb der Nationalstraße sowie der angrenzenden Verkehrsträger.

Wie einleitend beschrieben, wurde im Rahmen des Erhaltungskonzeptes entschieden, dass der bestehende Tunnel Hagnau abgebrochen und neu erstellt werden sollte. Ausschlaggebend dafür waren einerseits die erreichte Lebensdauer und der Zustand des Tunnels, aber auch die vorhandenen Dimensionen. Aufgrund des Erweiterungsbaus aus den 1970er-Jahren war das Verhältnis von Höhe zu Breite einengend und die Lichtverhältnisse im Tunnel schlecht, was beides negative Auswirkungen auf den Fahrkomfort und die Sicherheit hatte. Hinzu kam die nicht optimale Spuranordnung. Da die Ausfahrt Muttenz Nord eine Linksabbieger-Ausfahrt ist und ohne Verzögerungsstreifen ausgeführt war, ergab sich im Verzweigungsbereich mit dem Tunnel Schänzli ein Unfallschwerpunkt, den es zu beseitigen galt. Eine Umlegung der Ausfahrt auf die rechte Fahrbahnseite war aufgrundder örtlichen Gegebenheiten keine Option.

Geometrische Zwangspunkte sind weitere Randbedingungen beim Bauen im Bestand. Im Falle des Tunnel Hagnau sind dies im Norden die Kunstbauten der Verzweigung Hagnau. Die Autobahnauffahrt von der Gellertstraße her führt über eine Brücke, deren Stützen unmittelbar vor dem Tunnelportal fundiert sind. Die Anordnung der Stützen gibt die maximal mögliche Breite der Fahrbahn vor, eine Spuraddition war hier nicht möglich. Im Süden des Tunnel Hagnau grenzt der Verzweigungsbereich Ausfahrt Muttenz Nord und der Tunnel Schänzli das Bauvorhaben ein.

Das Bauen im Bestand des unter Betrieb stehenden Bahndamms gab weitere Randbedingungen vor. Die Höhe des Tunnels ist aufgrund der bestehenden Gleise beschränkt, was für die Machbarkeit und Ausführung des neuen Tunnels zu berücksichtigen war. Der Bahnverkehr musste während der gesamten Bauzeit aufrechterhalten werden. Zugumleitungen auf der Hauptverkehrsachse der SBB zwischen Olten und Basel waren in diesem Nadelöhr nicht denkbar. Deshalb mussten alle Gleise über provisorische Hilfskonstruktionen über die Baugrube geführt werden. Um die Kosten im Rahmen zu halten, wurden, wo möglich, Standardhilfsbrücken der SBB eingesetzt, welche mit ihren Spannweiten wiederum die Breite des Baugrubenabschlusses vorgaben und somit auch die mögliche Tunnelbreite beeinflussten. Sechs Brücken konnten bei der SBB gemietet werden. Für deren Einbau musste im Bereich der Baugrube eine Weiche verschoben und somit die Gleisgeometrie angepasst werden.

Eine weitere Weiche im Bereich der höchstgelegenen Bahnlinie konnte nicht verschoben werden. Dies war ein Knackpunkt des Projektes, da die Gleisgeometrie nicht angepasst werden konnte. Als Lösung wurde eine speziell für das Projekt entwickelte, 25 m lange temporäre Stahlbrücke erstellt. Dabei wurden, als schweizweites Novum, die Schwellen der Weiche direkt auf die Querträger abgestellt und befestigt.

2.4 Aufweitung Tunnel Hagnau

Unter dem Aspekt einer erhöhten Verkehrssicherheit und zur Beseitigung des Unfallschwerpunktes im Verzweigungsbereich wurde eine Aufweitung des Tunnelprofils von zwei auf drei Spuren geplant. Durch die Spuraddition erhalten die Linksabbieger in die Ausfahrt Muttenz Nord einen separaten Fahrstreifen. Die Normal- sowie die Überholspur führen geradeaus in den bestehenden Tunnel Schänzli. Bild 3 zeigt die Situation vor und nach dem Neubau.

Der neue Tunnel Hagnau wurde an gleicher Lage wie der Bestand und mit gleicher Länge von rund 60 m in offener Bauweise erstellt. Für die Projektierung des Tagbautunnels mussten die aktuell gültigen Grundlagen für die Erstellung eines Neubaus gemäß ASTRA-Fachhandbuch eingehalten werden. Geplant wurde ein Tunnelgewölbe mit einem Radius von 7,5 m und einer horizontalen Bodenplatte von 70 cm Stärke. Das Gewölbe weist einen Betonquerschnitt von 60 cm auf, welcher im Fußbereich auf 80 cm verbreitert wird.

Zur Abdichtung des Tunnels wurde eine klassische Regenschirmabdichtung, bestehend aus voll verklebten PBD-Bahnen und 10 cm Schutzmörtel, aufgebracht. Längsseitig des Tunnels wurden auf beiden Seiten Drainageleitungen installiert, für deren Unterhalt beidseitig des Tunnels je eine Drainagenische erstellt worden ist. Innenseitig wurde der Tunnel gemäß ASTRA-Fachhandbuch standardmäßig hydrophobiert und bis auf eine Höhe von 4 m deckbeschichtet.

Das Trassee weist eine konstante Längs- und Querneigung von 3 % auf, sodass anfallendes Schmutzwasser abfließen kann. Entwässert wird längs in Richtung Tunnel Schänzli und von dort aus in ein gemeinsames Stapelbecken. Eine zusätzliche Löschwasserleitung wurde ebenfalls in den Tunneln Schänzli und Hagnau gemeinsam verlegt.

Die Bankette sind mit Kabelrohrblöcken mit standardmäßig je acht Stück 120 mm Kabelschutzrohren ausgerüstet, dazu kommt einseitig ein 150 mm Kabelschutzrohr. Verbunden sind die beiden Seiten mit zwei Querschlägen. Beleuchtet ist der neue Tunnel Hagnau mit Einzelleuchten entlang der Firste. Durch den aufgeweiteten Querschnitt konnten die Lichtverhältnisse im Tunnel massiv verbessert werden, was sich ebenfalls positiv auf die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer auswirkt. Als Abschluss wurde die Portalwand im Norden wieder als Stützmauerelement hergestellt und an den Bestand angeschlossen. Im Verzweigungsbereich auf der Südseite schließt der neue Tagbautunnel direkt an die neue Betriebszentrale an.

2.5 Herausforderungen

Neben den beschriebenen Randbedingungen als Grundlage für die Projektierung und das Bauen im Bestand waren folgende Herausforderungen einschlägig für den weiteren Projektverlauf und die anschließende Umsetzung der Baumaßnahmen.

Aufgrund der innerstädtischen Lage mussten die Themen Arbeitszeiten, Lärm- und Erschütterungsemissionen sensibel behandelt werden. Trotz der bevorzugen Tagarbeitszeit mussten einige Arbeiten im Gleisbereich wie auch auf der Nationalstraße in Nacht- und Wochenendeinsätzen ausgeführt werden. Für die engen Sperr-Zeitfenster wurde absolute Termineinhaltung vorausgesetzt, da ansonsten der Einfluss, gerade auf den Bahnverkehr im Zusammenhang mit der Hauptverkehrsachse Olten–Basel, immens gewesen wäre.

Grundsätzlich wurde ein Bauen unter Betrieb der Nationalstraße und der Bahn gefordert. Bei einem Verkehrsaufkommen von rund 62 000 Fahrzeugen täglich war eine Reduktion der Fahrstreifen nicht möglich. Um die Kapazität gewährleisten zu können, wurde eine separate Umleitspur außerhalb des Baustellenperimeters erstellt. Somit konnte die Nationalstraße im Baustellenbereich auf einen Fahrstreifen reduziert werden und die Zufahrt zum anschließenden Tunnel Schänzli war gewährleistet. Auch die Ausfahrt Muttenz Nord musste bis auf wenige Bauphasen weitestgehend offengehalten werden.

Gearbeitet wurde unter sehr beengten Platzverhältnissen in der Baugrube neben dem bestehenden und neu erstellten Tagbautunnel. Die Baugrubensicherung mit Sprießen verlief unmittelbar über dem Tunnelfirst. Die Platzverhältnisse haben Auswirkungen auf die Wahl der Geräte und die Bauvorgänge. Quer über den Bahndamm verläuft eine Hochspannungsfreileitung, was bei der Erstellung des Baugrubenabschlusses aus dem Bahndamm heraus berücksichtigt werden musste.

Die Lage des Tagbautunnels im Bahndamm brachte weitere Herausforderungen mit sich. Aufgrund der großen Sensibilität der Gleisanlage waren setzungs- und verformungsarme Bauhilfsmaßnahmen unumgänglich. Eine gewisse Robustheit der Bauwerke und Sicherheit bezüglich deren Verhalten im Bahndamm war gefordert. Da der Baugrubenabschluss gleichzeitig das Auflager für die Hilfsbrücken der SBB war, wurden hohe Anforderungen an die Ausführungsgenauigkeit gestellt.

2.6 Konzept & Strategie

Aus den beschriebenen Herausforderungen wurden Anforderungen formuliert und daraus Konzepte und Strategien zur optimalen Abwicklung des Projektes entwickelt. Dabei waren Projektanforderungen bezüglich minimaler Sperrungen für Straße und Bahn, unter gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit sämtlicher Beteiligter und Nutzer, maßgebend für die gewählten Konzepte.

Unter anderem wurden folgende Strategien verfolgt, um das Projekt optimal abwickeln zu können:

Vereinbarung mit der SBB von wenigen Wochenendsperrungen pro Bahnlinie für die Erstellung des Baugrubenabschlusses (Großbohrpfähle) sowie den Ein-/Ausbau der Hilfsbrücken. Die Sperrungen waren mit 48 bis 56 Stunden veranschlagt worden. Ziel war die Optimierung der Beeinträchtigung des Bahnverkehrs auf ein Minimum und der Verzicht auf eine Vielzahl von Standard-Nachtsperrungen (ca. 6 bis 8 Stunden) bei alternativen Bauweisen (Rühlwände).

Optimierung von Steifigkeit und Robustheit der Baugrube durch den Einsatz von Großbohrpfählen mit dem Ziel, Bewegungen und Setzungen im Bahndamm entgegenzuwirken und somit die Unterhaltsarbeiten seitens SBB zu minimieren. Im Vorprojekt waren, aufgrund der Vorgabe der üblichen Standard-Nachtsperrungen der Gleise von circa 6 bis 8 Stunden, Rühlwände vorgesehen gewesen.

Die Detailplanung von Wochenendsperrungen, Baulogistik und Bauhilfsmaßnahmen wurde bereits in einer frühen Projektphase durchgeführt. Somit konnten Gleissperrungen rechtzeitig reserviert und ein sicherer und effizienter Ablauf gewährleistet werden.

Festlegung von Bonus-/Malus-Anreizen für den Unternehmer bezüglich Einschränkungen der Nationalstraße, sodass die Bauzeit auch in der Ausführung weiter optimiert werden konnte.

In der Projektierung wurden detaillierte 3D-Modelle erstellt. Im Rahmen der BIM-Methode wurden Kollisionsprüfungen und Koordination anhand des Modells durchgeführt. So konnten beispielsweise sich überschneidende Ankerlagen von diversen Baugrubensicherungen kontrolliert, die Anordnung der Anker optimiert und Konflikte vermieden werden.

3 Bauvorhaben
3.1 Installationsplatz, Baustellenzugang und Logistik

Entlang der Birsfelderstraße im Süden des Bahndamms konnte ein Installations- und logistischer Umschlagplatz für Lastwagentransporte erstellt werden. Eine im Endzustand circa 7 m hohe Rampe, gesichert mit rückverankerter Rühl- und Elementwand, gewährleistete den Zugang zum Bahndamm. Im Bereich über dem bestehenden Südportal des Tunnels konnte die bestehende Elementwand aus den 1970er-Jahren reaktiviert werden, wobei die Anker für die Baugrubensicherung neu erstellt wurden.

Beim Nordportal war auf dem Niveau der Nationalstraße kein Zugang zur Baustelle möglich. Für die Erstellung der Baugrube konnte die Autobahnauffahrt kurzzeitig als logistischer Umschlagplatz genutzt werden. Möglichkeiten der Logistik via Bahn wurden nur für den Transport der Bohr- und Aushubgeräte für die Arbeiten im Gleisbereich sowie für die SBB-Hilfsbrücken genutzt.

3.2 Baugrubenabschluss – Lösungen im Spezialtiefbau

Geplant war eine offene Baugrube zur Freilegung des bestehenden Tunnel Hagnau und dessen Neubau. Da die Lage der Baugrubensohle oberhalb des Grundwasserspiegels liegt, war kein dichter Baugrubenabschluss erforderlich. Aufgrund diverser Kriterien, wie der geforderten Robustheit der Baugrube, den minimalen Setzungsanforderungen sowie den minimalen Interventionen mit dem Bahnverkehr, wurde eine aufgelöste Bohrpfahlwand projektiert. Diese wurde mit Großbohrpfählen mit einem Durchmesser von 1.3 m erstellt. Die rund 22 bis 30 m langen Pfähle konnten unterhalb der Baugrubensohle in den angrenzenden Felsen eingebunden werden. Im Rahmen langer Wochenendsperrungen wurden die Großbohrpfähle aus dem Gleisbereich heraus erstellt: Dabei durften maximal zwei Gleise gleichzeitig außer Betrieb genommen werden.

Zur Aussteifung der Pfähle und als Auflager für die SBB-Hilfsbrücken wurden die Pfähle mit massiven 80 cm hohen Kopfbalken verbunden. Zwischen den Kopfbalken und somit unmittelbar unter den Hilfsbrücken wurde die erste Sprießlage eingebracht, ausgeführt mit 60 cm hohen Doppel-H-Trägern.

Anschließend wurde die Baugrube in Kleinst-Etappen ausgehoben und der Aushub via Installationsplatz Birsfelderstraße abtransportiert. Der bestehende Tunnel füllte fast die gesamte Baugrube aus. Geplant waren mehrere Aussteifungsebenen. Dank einer innovativen Unternehmervariante mit Multibondankern (Mehrstufenanker) konnte zur Optimierung der Platzverhältnisse in der Baugrube auf zwei Sprießlagen verzichtet werden.

Wie bei den Herausforderungen beschrieben, musste mindestens ein Fahrstreifen im Baustellenbereich in Betrieb bleiben. Die Lage variierte je nach Bauphase und wurde zuerst mittig durch den bestehenden Tunnel geführt. Um die Nationalstraße während des Aushubs vor Abplatzungen aus dem Bestand zu schützen, wurde eine Schutzdecke aus Holz unter Einhaltung des Lichtraumprofils im bestehenden Tunnel erstellt. Die Tunnelwände wurden aus Sicherheitsgründen mit Sprießen gegeneinander abgestützt.

3.3 Abbruch Tunnel Hagnau

Geplant war der Abbruch des Tunnels mit Schneiden in Kleinstetappen. Auch hier konnte in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmer optimiert werden. Der Gewölbeteil des Tunnels und das vorgespannte Rahmentragwerk im Verzweigungsbereich konnten in zwei durchgehenden Wochenend- und zusätzlichen Nachtsperrungen der Nationalstraße mit dem größten Rückbaubagger Europas (A-Rex) abgebrochen werden. Bild 8 zeigt den Zwischenzustand nach Abbruch des Rahmentragwerks und der Tunnelfirste zwischen den beiden Abbruchwochenenden.

Im Anschluss wurde der Fahrstreifen auf die ehemals rechte Spur im Tunnel verlegt. Der Baustellenabschnitt wurde mit Fahrzeugrückhaltesystemen und darauf installierten Bauwänden gesichert. Dann wurde die östliche Tunnelwand unter Verkehr abgebrochen. Für den Abbruch der westlichen Tunnelwand wurde analog vorgegangen. Das Verkehrsregime wurde für die Vorarbeiten und die abschnittsweise Erstellung der Bodenplatte beibehalten.

3.4 Neubau Tunnel Hagnau

Zur Krafteinleitung und um Setzungen des Tunnels und der darüber liegenden Bahnanlage zu vermeiden, wurden im Bereich unter dem Gewölbefuß Mikropfähle mit einer Felseinbindung von mindestens 1 m erstellt. Die Bodenplatte des Tunnels wurde abschnittsweise erstellt. Mit der kraftschlüssigen Schließung über die gesamte Baugrubenbreite hat sie auch die Funktion der letzten Aussteifungsebene übernommen.

Der neue Tagbautunnel wurde konventionell geschalt und in sechs Abschnitten von je 10 m erstellt. Weiterhin musste der Individualverkehr aufrechterhalten werden. Die Fahrspur wurde mittig durch den Schalwagen geführt und wiederum mit einer Holzkonstruktion geschützt. Nach dem Ausschalen und Rückbau des Schalwagens wurde die Fahrspur im Tunnel wieder jeweils auf eine Seite verlegt. So konnten die Bankette im Tunnel erstellt und die BSA installiert werden.

Auf der Südseite schließt der Tunnel direkt an die neue Betriebszentrale an. Im Norden wurde die Portalwand als Stützmauer für den Bahndamm wieder aufgebaut. Zur Wiederherstellung des Bahndamms wurde die Baugrube in Etappen und symmetrisch bis unter die letzte Sprießlage verfüllt. Aus zeitlichen Gründen konnten keine so langen Sperrwochenenden für die Bahn gewährleistet werden, dass der Ausbau von Hilfsbrücken, Sprießen und die systematische Wiederverfüllung und Verdichtung fachmännisch hätten durchgeführt werden können. Aus logistischen Gründen war es nicht möglich, die Sprießlage direkt unter den Hilfsbrücken vorgängig auszubauen. Deshalb wurde der Bereich ab 1.8 m unter der letzten Sprießlage bis zur Oberkante des Kopfbalkens mit Sickerbeton verfüllt.

4 Lessons learned

Die vorhandene Komplexität des Projektes setzte eine konstruktive und partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Realisierung sowie eine innovative Umsetzung beim Bauunternehmer voraus. Optimierungen konnten oft durch gemeinsame Lösungsfindung und Kommunikation gefunden und umgesetzt werden. Wichtig war aber auch, robuste und bewährte Lösungen einzusetzen, um die Risiken beim Bau im Bahndamm der SBB zu minimieren.

Innovationen gehen über technische Lösungen hinaus. So wurden erste Aspekte der BIM-Planung angewendet. Grundsätzlich wurden 3D-Modelle erstellt, woraus dann konventionelle 2D-Pläne abgeleitet wurden. Die 3D-Modelle verhalfen in der Planung, Konflikte zu erkennen und direkt zu lösen. Beispielsweise konnten anhand des Modells die Lage und Winkel der Anker der diversen Baugrubenabschlüsse im Portalbereich Süd optimiert und Überschneidungen ausgeschlossen werden. Absteckungspunkte wurden direkt aus den Modellen generiert und dem Baumeister in digitaler Form zur Verfügung gestellt. Die Rohbaumodelle dienten als Grundlage für die Bewehrungsmodelle, welche ebenfalls in 3D erstellt worden sind. Im Bereich BIM2Field wurden Anwendungsfälle hinsichtlich Baustellenmanagement, Qualitätssicherung und Mängelmanagement umgesetzt. Verwendet wurde dabei die CDE-Plattform BIM360 von Autodesk.

Mein persönlicher Projektbeitrag hat die Planung ab der Phase des Auflage- und Detailprojekts bis zur Betreuung der Dokumentation des ausgeführten Werkes umfasst. Konkret durfte ich die Planung der Großbohrpfähle mit zugehörigem Logistikkonzept und Aushub sowie die zugehörige Bauphasenplanung inklusive Gleissperrungen übernehmen. Weitere Themen waren die Ausarbeitung der BIM-Strategie und der Anwendungsfälle, das Überwachungskonzept sowie diverse kleine Statiken und die Vordimensionierung der Baugrube. Das Kernstück des Teilprojektes, den Tagbautunnel Hagnau, durfte ich ebenfalls projektieren, bemessen und als Fachbauleitung in der Ausführung begleiten. Besonders stolz bin ich auch auf die Entwicklung, Projektierung und Bemessung der Spezialhilfsbrücke mit aufgelegter Weiche, ohne die das Projekt nicht hätte umgesetzt werden können.

5 Rückblick

Per Ende 2020 konnten der Tagbautunnel, die Betriebszentrale und die Wiederherstellung der Gleisanlage abgeschlossen und dem Betrieb übergeben werden. Die Baumaßnahme verlief ohne größere Zwischenfälle unter Betrieb von Nationalstraße und Bahn. In der Ausführung konnte die Bauzeit noch stark reduziert werden. Die offen gelegene Baustelle gewährte der Öffentlichkeit viele spannende Einblicke in die Tätigkeiten des Infrastrukturbaus.

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