Setzungsprognosen für TBM-Vortriebe im Lockergestein auf der Basis von Erfahrungswerten

Zur systematischen Analyse einer großen Anzahl von Setzungsmessungen weltweiter Tunnelprojekte mit unterschiedlichen Projektrandbedingungen bzgl. TBM-Art, Tunneldurchmesser, Tiefenlage des Tunnels und Baugrundverhältnissen (Bild 1) werden im vorliegenden Beitrag rund 100 Setzungsmulden von ausgeführten Projekten ausgewertet, die im Zuge von TBM-Vortrieben mit einem Flüssigkeits- bzw. Erddruckschild im Lockergestein gemessen wurden. Die Ergebnisse der systematischen Messwertanalyse bilden die Grundlage für Rechenwerte und das vorgeschlagene zweistufige Prognosemodell, bei dessen Anwendung sich – analog zu den Beobachtungen der Feldmessungen – eine Bandbreite von Setzungsmaßen infolge des jeweiligen Tunnelvortriebes ergibt.

(The English version of this article is published online at www.tunnel-online.info)

1 Empirische Methode zur Ermittlung der Setzungsmulde infolge Tunnelvortrieb
1.1 Geometrie der in Messungen fest- gestellten Setzungsmulden

International weit verbreitet und seit Jahrzehnten etabliert
ist die empirische Methode, die ursprünglich von Peck (1969) erarbeitet und deren Anwendung seitdem von zahlreichen Autoren weiterentwickelt wurde (O’Reilly & New 1982, Leca & New 2007, Fillibeck 2012, Mair 2013, Wang 2021). Der Verlauf der Setzungsmulde in Querrichtung des Tunnels wird hierbei durch die Gauß’sche Normalverteilung beschrieben. Die Setzung s(y) der Geländeoberfläche (Freifeldsetzungen) im Abstand y von der Tunnelachse lässt sich hierbei wie folgt beschreiben:

 

s(y) = smax · e-y²/(2 · i²) (Gl. 1)

 

wobei smax den maximalen Setzungsbetrag oberhalb der Tunnelfirste bezeichnet, y den horizontalen Abstand zur Tunnelachse und i den Wendepunktabstand, d. h. den Abstand des Wendepunktes der Setzungsmulde von der Tunnelachse (Bild 2).

Der Wert i ist maßgeblich von den Baugrundverhältnissen und von der Tiefenlage des Tunnels abhängig. Eine weithin verbreitete Methode zur Ermittlung von i wurde von O’Reilly & New (1982) vorgeschlagen:

 

i = K · z0   (Gl. 2)

 

wobei K der dimensionslose Parameter der Setzungs­muldenbreite (engl.: trough width parameter) ist und z0 die Tiefenlage der Tunnelachse unterhalb der Geländeoberfläche angibt.

1.2 Volume-Loss-Ansatz

Das Volumen der Setzungsmulde (d. h. der Flächeninhalt der Setzungsmulde je Vortriebsmeter) wird durch Integration der (Gl. 1) ermittelt:

Vs =

· i · smax   (Gl. 3)

 

Durch Bezugnahme auf die Ausbruchsfläche des Tunnelquerschnittes At kann aus (Gl. 3) der sogenannte Volume Loss (VL) ermittelt werden:

 

VL = Vs / At   (Gl. 4)

 

VL: Volume Loss [%]

Vs: Volumen der Setzungsmulde je Vortriebsmeter [m²]

At: Ausbruchsfläche des Tunnelquerschnittes [m²] mit

At = π · D²/4 [m²]

D: Ausbruchsdurchmesser des Tunnels [m]

 

Der Volume Loss ist damit ein Maß für die Größe der Setzungsmulde, die insgesamt durch ihre Breite w = 2 · b, die Maximalsetzung smax und den Wendepunktabstand i gekennzeichnet ist.

2 Bisherige Erfahrungswerte bzgl. aus Messwerten rückgerechnetem Volume Loss (VL) und K-Wert

Insbesondere in Großbritannien werden seit Jahrzehn­ten anhand von Projektbeispielen Erfahrungswerte zum Volume Loss dokumentiert. Es zeigt sich, dass in steifen Tonen, wie z. B. dem London Clay, bei Vortrieben mit offenen Schilden (d. h. ohne Ortsbruststützung) Volume-Loss-Werte in einer Größenordnung von VL = 1 % bis 2 % auftreten (Mair & Taylor 1997, Franza 2016).

Für TBM-Vortriebe mit aktiver Ortsbruststützung, d. h. Flüssigkeitsschilde und Erddruckschilde, geben Mair & Taylor (1997) an, dass ein hohes Maß an Setzungskontrolle
erreicht werden kann. Dies gilt insbesondere in Sanden, in denen häufig Volume-Loss-Werte von 0,5 % oder weniger erreicht wurden.

Nachfolgend werden zunächst die Ergebnisse einer eigenen Analyse der Erfahrungswerte für den Volume Loss und für den K-Wert (Parameter der Setzungsmuldenbreite) von TBM-Vortrieben mit aktiver Ortsbruststützung zusammengefasst. Anschließend werden drei ausgewählte Projektbeispiele aus den letzten 15 Jahren näher erläutert, für die detaillierte Setzungs-Auswertungen vorliegen.

2.1 Zusammenfassung von Erfahrungs
werten für den Volume Loss

Zur systematischen Analyse einer großen Anzahl von Setzungsmessungen weltweiter Tunnelprojekte mit unterschiedlichen Projektrandbedingungen bzgl. TBM-Art, Tunneldurchmesser, Tiefenlage des Tunnels und Baugrundverhältnisse wurden in der vorliegenden Ausarbeitung rund 100 Setzungsmulden von ausgeführten Projekten ausgewertet (Bild 3), die im Zuge von TBM-Vortrieben mit einem Flüssigkeits- bzw. Erddruckschild im Lockergestein gemessen wurden. Hierbei wurden auf Basis der gemessenen Maximalsetzungen oberhalb des Tunnels und der Form der Setzungsmulde mithilfe der in Kap. 1.1 erläuterten empirischen Methode der jeweilige Volume Loss VL und der Parameter der Setzungsmuldenbreite K (siehe Kap. 2.2) rückgerechnet. Zum Schließen von Messwertlücken wurde in 13 Fällen der K-Wert aus Erfahrungswerten abgeschätzt.

Insgesamt zeigt diese Analyse eine vergleichsweise große Bandbreite der hierbei rückgerechneten Volume-Loss-Werte, die nahezu unabhängig vom TBM-Durchmesser auftritt (Bild 3). Singuläre Extremwerte, die ins­besondere bei Erddruckschilden zum Teil aufgetreten sind, wurden in der Analyse (Bild 3) nicht berücksichtigt.

Die rückgerechneten Volume-Loss-Werte lagen bei Vortrieben mit Flüssigkeitsschilden in einer Bandbreite von VLmin = 0,03 % bis VLmax = 0,63 % (VL5%-Quantil = 0,05%, VL50%-Quantil = 0,31%, VL95%-Quantil = 0,58%). Insgesamt wurden 32 Setzungsmulden ausgewertet.

Im Vergleich dazu wurden bei Vortrieben mit Erddruckschilden in zahlreichen Fällen Volume-Loss-Werte in einer ähnlichen Größenordnung zurückgerechnet, teilweise jedoch waren die Werte etwas größer. Die Band­breite lag bei VLmin = 0,03% bis VLmax = 0,83% (VL5%-Quantil = 0,15%, VL50%-Quantil = 0,41%, VL95%-Quantil = 0,77%). Insgesamt wurden 78 Setzungsmulden ausgewertet.

Der Unterschied zwischen den beiden in Bild 3 darge­stellten Bandbreiten ist vor allem darin begründet, dass die Stützung der Ortsbrust bei Flüssigkeitsschilden verfahrensbedingt im Vergleich zu Erddruckschilden in vie­len Fällen zuverlässiger gelingt.

Die zugehörigen gemessenen Maximalsetzungen liegen bei den Vortrieben mit Flüssigkeitsschilden in einer Bandbreite von 0,1 cm bis maximal 3,6 cm (Mittelwert 0,9 cm) und bei Erddruckschilden in einer Bandbrei­te von 0,2 cm bis maximal 2,8 cm (Mittelwert 1,1 cm), wobei die mit Erdruckschild aufgefahrenen Tunnel zum Teil eine größere Firstüberdeckung aufwiesen. Diese Setzungs­maße liegen damit überwiegend in einer geringen Größenordnung und belegen quantitativ, dass mit Flüssigkeitsschilden und Erddruckschilden ein setzungs­armer Vortrieb möglich ist.

2.2 Zusammenfassung von
Erfahrungswerten für den K-Wert
(Parameter der Setzungsmuldenbreite)

Auf Basis von Feldmessungen können nach O’Reilly & New (1982) folgende Werte für K angesetzt werden:

K = 0,5 für kohäsive Böden (0,4 für steife Tone und 0,7 für weiche, schluffige Tone)

K = 0,25 für granulare Böden (Bandbreite: 0,2 bis 0,3)

 

Mair & Taylor (1997) haben eine Vielzahl von ausgeführten Tunnelvortrieben analysiert – überwiegend waren dies Vortriebe mit Einfachschilden (offene Schilde ohne aktive Ortsbruststützung). Für Tunnel in Tonen bestätigt sich aus der Mehrzahl der analysierten Fälle der bereits von O’Reilly & New (1982) vorgeschlagene Ansatz von K = 0,5 unabhängig von der Konsistenz des jeweils anstehenden bindigen Bodens. Die Daten liegen überwiegend in einer Bandbreite von K = 0,4 bis K = 0,6.

Für Tunnel in Sanden bzw. Kiesen haben Mair & Taylor (1997) im Vergleich zu Tonen eine geringfügig größere Streuung festgestellt: Überwiegend liegen die analysier­ten Daten innerhalb der Bandbreite von K = 0,25 und
K = 0,45 (Mittelwert: K = 0,35).

Die Ergebnisse der für den vorliegenden Bericht ausgeführten Auswertung von rund 100 Setzungsmulden, die im Zuge der Ausführung von TBM-Projekten mit einem Flüssigkeits- bzw. Erddruckschild gemessen wurden (Bild 4), bestätigen weitestgehend die Größenordnung der o. g. Erfahrungswerte. Sie zeigen jedoch ebenfalls die Variabilität des jeweils aufgetretenen K-Wertes, der sich aus der Rückrechnung der in situ gemessenen Setzungs­mulden von TBM-Vortrieben ergibt.

Diese Variabilität sollte in Setzungsprognosen von geplanten Tunnelprojekten berücksichtigt werden. In Bild 4
wurde zwischen grobkörnigen, feinkörnigen und ge­mischtkörnigen Böden unterschieden. Nach statistischer Analyse werden jeweils die Werte für die 5-%-, 50-%- und 95-%-Quantile angegeben. Die anhand der Messwerte festgestellte Streuung der K-Werte ist in grobkörnigen Böden am geringsten und in gemischtkörnigen Böden am größten.

2.3 Projekt-Beispiel 1:
Mailand, Metro-Linie 5

Ein gut dokumentiertes Projektbeispiel ist der Bau der Metro-Linie 5 in Mailand (Fargnoli et al. 2013). Hier wurden auf einer Tunnellänge von 12,6 km mit einer EPB-TBM (Ø 6,70 m) zwei Tunnelröhren aufgefahren (horizontaler Achsabstand 15 m). Zwischen den Stationen San Siro Harar und Segesta wurde auf einem Abschnitt von 1,3 km Länge ein Messfeld unterquert. Der Baugrund bestand aus mitteldicht bis dicht gelagerten Sanden und Kiesen, z.-T. schluffig (Bild 5). Der Grundwasserspiegel lag überwiegend innerhalb der Ortsbrustfläche. Die Überdeckung bis zur Tunnelfirste betrug ca. 11,65 m – dies entspricht dem 1,74-Fachen des Tunneldurchmessers.

Bild 6 zeigt für den Zustand nach Unterfahrung durch die erste TBM anhand von vier Messquerschnitten einen Ausschnitt der in situ gemessenen Setzungswerte, aus dem sich eine Bandbreite von 8,4 mm bis 21,4 mm ergibt. Insgesamt wurden 29 Messquerschnitte unterfahren. Die gemessenen Setzungen für alle Messquerschnitte lagen insgesamt zwischen 6,0 mm und 21,4 mm (Mittelwert: 12,4 mm). Es wurden somit Setzungen festgestellt, die minimal 48 % bis maximal 172 % des Mittelwertes betragen und damit die große Bandbreite der in situ aufgetretenen Setzungswerte bei annähernd konstantem Überdeckungsmaß und ähnlichen Baugrundverhältnissen aufzeigen.

Der im vorliegenden Fall aus sämtlichen Setzungsmessungen rückgerechnete Volume Loss lag in einer Bandbreite von 0,27 % und 0,82 % (Mittelwert: 0,5 %). Der zugehörige rückgerechnete K-Wert, der für die Breite der Setzungsmulde maßgeblich ist, lag für die hier anstehenden überwiegend grobkörnigen Böden in einer vergleichsweise schmalen Bandbreite von 0,35 bis 0,40 (Mittelwert: 0,38) (siehe hierzu auch Bild 4).

2.4 Projekt-Beispiel 2:
Metro Hong Kong (Los 1103)

Im Zuge des Baus der Metro in Hong Kong (Los 1103) mit einem Flüssigkeitsschild (Ø 7,46 m) in Alluvium (kiesig, schluffige Sande) bzw. vollständig entfestigtem Granit mit Lockergesteinscharakter wurde beim Auffahren der ersten Tunnelröhre (down-track tunnel) ein rund 230 m langes Messfeld in einer Grünanlage bei einer Überde­ckung bis zur Tunnelfirste von ca. 11,8 m bis 18,9 m unterfahren (Park et al. 2018). Die Setzungen der Geländeoberfläche wurden in insgesamt 14 Messquerschnitten (Ar01 bis Ar14) erfasst. Es traten Setzungen oberhalb der Firste von 4,9 mm bis 12 mm (Mittelwert: 8,1 mm) auf (siehe Bild 7 und Tab. 1). Hier wurden Volume-Loss-Werte von 0,24 % bis 0,63 % (Mittelwert: 0,44 %) rückgerechnet. Die zugehörigen K-Werte (gemischtkörnige Böden) lagen in einer Bandbreite von 0,35 bis 0,67 (Mittelwert: 0,52).

2.5 Projekt-Beispiel 3: Katzenbergtunnel

Zum Auffahren des insgesamt rund 9 km langen Katzenbergtunnels wurden zwei Tunnelbohrmaschinen (TBM) mit einem Bohrdurchmesser von 11,16 m eingesetzt (Kirschke & Holzhäuser 2008). Vorbereitend wurde ein umfangreiches Messfeld unterquert (siehe Bilder 8 + 9). In zwei Längs- und drei Querprofilen mit insgesamt 63 Messpunkten wurden die Setzungen der Geländeoberfläche vor, während und nach der Unterfahrung gemessen (Bild 9). Die beiden EPB-TBM wurden hier im geschlossenen Modus (d. h. mit aktiver Ortsbruststüt­zung) betrieben, wobei als Konditionierungsmittel Schaum zum Einsatz kam. Die Firstüberdeckung betrug hier ca. 23 m, der horizontale Achsabstand der beiden Tunnelröhren 28 m. Der feinkörnige Baugrund besteht hier unterhalb von ca. 4 m mächtigem Löß/Lößlehm bis zum Tunnel zumeist aus verwittertem bis entfestigtem Tonstein.

Bild 8 zeigt die in den drei Querprofilen nach der Unterfahrung beider TBM gemessenen Setzungen. Es sind maximale Setzungen von 16 mm oberhalb der Weströhre aufgetreten. Die Setzungsmulden sind insgesamt rund 80 m breit und weisen den für Doppelröhrentunnel typischen W-förmigen Verlauf mit Maximalwerten oberhalb der Tunnelachsen und etwas geringeren Setzungen zwischen den beiden Tunnelröhren auf. Die Messwerte belegen zudem, dass die Auswirkungen des Tunnelvortriebs auf die Geländeoberfläche einer nicht unerheblichen Streuung unterliegen. Außerdem wird ersichtlich, dass sich die Setzungsmulden nicht in jedem Fall symmetrisch zur Tunnelzentralachse ausbilden (Bild 8). In den drei Messquerschnitten in Tunnel-Querrichtung liegen die gemessenen maximalen Setzungen ober­halb der Weströhre in einer Bandbreite von rund 10 mm bis 16 mm. Werden sämtliche Messpunkte einbezogen, die im Längsschnitt oberhalb der Weströhre liegen, vergrößert sich die Bandbreite der insgesamt gemessenen Setzungen auf 8 mm bis 18 mm (Mittelwert: 14 mm). Bezogen auf diesen Mittelwert erreichten die tatsächlich aufgetretenen Setzungen oberhalb der Weströhre Werte von minimal 57 % und maximal 129 %, d. h. die Setzungen betrugen minimal rund die Hälfte und maximal das 1,3-Fache des Mittelwertes.

Der rückgerechnete Volume Loss lag in einer Größenordnung von 0,24 % bis 0,39 %, und der Parameter K wurde in einer Bandbreite von 0,31 bis 0,47 ermittelt. Die für MQ1 aus den Setzungsmessungen rückgerechnete Setzungsmulde in Querrichtung weist eine maximale lokale Tangentenneigung von rund 1:1000 auf.

Im Mittel betrugen die vorlaufenden Setzungen ober­halb der Weströhre 5 mm (dies entspricht 36 % der mitt­leren Gesamtsetzung von 14 mm), 6 mm Setzung (43 %) sind über dem Schild entstanden, und 3 mm (21 %) waren nachlaufende Setzungen. Die mittlere Längsneigung ergibt sich demnach über dem Schild bei einem Setzungs­anteil von 6 mm und einer Schildlänge von 11,3 m zu 1:1900. Im Maximum war dieser Setzungs­anteil 8,5 mm groß (Bild 10), woraus sich die maximale Längsneigung zu rund 1:1300 ergibt.

Dies bedeutet, dass am Katzenbergtunnel im Messfeld B3-Unterquerung die größte Neigung der Setzungsmulde in Querrichtung aufgetreten ist (maximal: 1:1000), die rund 30 % größer war als die temporär aufgetretene Neigung in Längsrichtung (maximal: 1:1300).

3 Empfohlene Vorgehensweise für
Setzungsprognosen geplanter
TBM-Vortriebe im Lockergestein
3.1 Rechenwerte für Volume Loss und K-Wert (Parameter der Setzungs-
muldenbreite)

Die in Kap. 2 dargestellten Messwerte von ausgeführten TBM-Projekten verdeutlichen, dass Setzungswerte und Setzungs­mulden stets in gewissen Bandbreiten auftreten, welche daher auch in Setzungsprognosen betrachtet werden sollten.

Die in Kap. 2.1 erläuterte Analyse von rund 100 Setzungs­mulden wird in Bezug auf den rückgerechneten Volume
Loss (VL) gemäß Tab. 2a zusammengefasst, wobei zwi­schen Flüssigkeitsschilden und Erddruckschilden unterschieden wird. Hierbei wird der Volume Loss jeweils durch einen unteren, mittleren und oberen Rechenwert VL charakterisiert (siehe hierzu auch Bild 3).

Analog dazu sind in Tab. 2b die Analyseergebnisse der K-Werte (Parameter der Setzungsmuldenbreite) aus Kap. 2.2 zusammengefasst. Hierbei wird zwischen grobkörnigen, feinkörnigen und gemischtkörnigen Böden unterschieden, die in den betrachteten Projekten zwischen
dem Tunnel und der Geländeoberfläche anstehen. Der K-Wert wird ebenfalls jeweils durch einen unteren, mitt­leren und oberen Rechenwert K charakterisiert (siehe hierzu auch Bild 4).

3.2 Prognosestufen 1 und 2

Die Rechenwerte VL (Volume Loss) und K (Parameter der Setzungsmuldenbreite) (siehe Kap. 3.1) werden im nächs­ten Schritt in ausgewählten Kombinationen miteinander verknüpft, sodass sich für baupraktisch relevante Randbedingungen im Rahmen der Setzungsprognose dezidierte Prognosewerte und Prognosebandbreiten ergeben. Innerhalb der Prognosestufe 1, deren standard­mäßige Anwendung empfohlen wird, erfolgt die Unterscheidung in den unteren, mittleren und oberen Prognose­wert Pu , Pm und Po (Tab. 3a).

 

Prognosestufe 1

Die Analyse der Messwerte von Referenzprojekten (siehe Kap. 2.1 und 2.2) hat ergeben, dass die Variationsbrei­te des Volume-Loss-Wertes erheblich größer ist als diejenige des K-Wertes. Für die Prognosestufe 1 wird daher der Volume-Loss-Wert variiert, d. h. es werden die 5-%-, 50-%- bzw. 95-%-Quantile für den Volume Loss gemäß Tab. 2a bzw. Bild 3 angesetzt, während für den K-Wert-Ansatz einheitlich jeweils das 50-%-Quantil des K-Wertes gemäß Tab. 2b bzw. Bild 4 verwendet wird.

 

Prognosestufe 2

In Abhängigkeit von der Aufgabenstellung kann die Prognosestufe 2 erforderlich werden, z. B. als Extremwertbetrachtung. Die Analyse der Referenz-
projekte in Kap. 2 hat gezeigt, dass nicht nur der Volume Loss, sondern auch der K-Wert einer gewissen Streuung unterworfen ist – insbesondere bei feinkörnigen und gemischtkörnigen Böden – und dadurch die Breite der Setzungsmulde sowie die lokale Neigung der Setzungs­mulde als ein Maß für die Schiefstellung der Geländeoberfläche infolge Tunnelvortrieb beeinflusst werden. Es kann daher erforderlich sein, im Vergleich zur Prognose­stufe 1 breitere und auch schmälere Setzungsmulden zu analysieren.

Es wird zwischen dem konservativen Prognosewert Pk1 zur Abschätzung einer breiteren Setzungsmulde für die Betrachtung der Geländeoberfläche (bzw. von Bauwer­ken) in einem größeren Abstand zur Tunneltrasse und dem konservativen Prognosewert Pk2 zur Abschätzung einer schmäleren Setzungsmulde für die Betrachtung der Geländeoberfläche (bzw. von Bauwerken) in unmittelbarer
Nähe zur Tunneltrasse unterschieden (siehe Tab. 3b).

In beiden Fällen wird der obere Rechenwert VL (Volume Loss) angesetzt. Dieser wird für die Betrachtung der brei­ten Setzungsmulde mit dem oberen Rechenwert K und für die schmale Setzungsmulde mit dem unteren Rechen­wert K kombiniert. Innerhalb der Prognosestufe 2 werden somit auch Randwerte aus der statistischen Auswertung für den K-Wert und den Volume Loss berücksichtigt. Hierbei ist zu beachten, dass die Setzungs­mulden von Bauwerken infolge der Bauwerkssteifigkeit von den in Kap. 1 und 2 behandelten Freifeldsetzungen abweichen können.

 

Die Anwendung der Prognosestufe 1 bei Einsatz der in Kap. 1.1 und 1.2 aufgeführten Formeln wird nachfolgend beispielhaft anhand des EPB-Vortriebes für die Metro-Linie 5 in Mailand erläutert (zugehörige Setzungs­messwerte: siehe Kap. 2.3). In Abhängigkeit von der Vortriebsart wurden die Rechenwerte VL aus Tab. 2a für Erddruckschilde, sowie entsprechend den im Beispielprojekt in Mailand vorliegenden Baugrundverhältnissen die Rechenwerte K für grobkörnige Böden aus Tab. 2b verwendet und dann analog zur Zusammenstellung in Tab. 3a für die Prognosestufe 1 kombiniert. Die bei Anwendung der Prognosestufe 1 abgeschätzte Bandbreite der Setzungen (roter Bereich in Bild 11 rechts) bildet die tatsächlich gemessene Bandbreite der beispielhaft ausgewählten Messquerschnitte (grüner Bereich in Bild 11 links) realistisch ab.

An der Spanne der Maximalsetzungen aus den errechne­ten Setzungsmulden für den unteren, mittleren und oberen Prognosewert ist die entsprechende Variation des ange­setzten Rechenwertes VL für den Volume Loss erkennbar (siehe Bild 11 rechts). Hingegen wirkt sich die Variation des Rechenwertes K (Parameter der Setzungs­muldenbreite) sowohl auf die Breite der Setzungsmulde als auch auf das maximale Setzungsmaß aus, die z. B. in der Prognosestufe 2 mit den konservativen Prognose­werten ermittelt werden. Die Streuung des Rechen­wertes K ist für den im Projektbeispiel in Mailand anstehenden grobkörnigen Boden gegenüber den beiden weiteren betrachteten Möglichkeiten von fein- bzw. gemischtkörnigen Böden (siehe Bild 4 bzw. Tab. 2b) verhältnismäßig gering.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Im vorliegenden Beitrag werden rund 100 gemessene Setzungsmulden statistisch ausgewertet, die während der Bauausführung von TBM-Vortrieben im Locker­gestein unter Einsatz von Flüssigkeits- oder Erddruckstützung erfasst wurden. Ziel ist die Zusammenstellung und systematische Analyse dieser Erfahrungswerte sowie
die Erarbeitung einer Empfehlung zur Erstellung von Setzungsprognosen auf Basis von in situ erfassten
Messwerten, bei deren Anwendung sich eine Bandbreite von erwartbaren Setzungsmaßen infolge des Tunnelvortriebes ergibt – analog zu den Beobachtungen der Feldmessungen.

Neben dem Tunneldurchmesser und der Tiefenlage des Tunnels sind der Volume Loss und der K-Wert (Parameter der Setzungsmuldenbreite) die wesentlichen Parameter zur analytischen Beschreibung von Setzungs­mulden infolge Tunnelvortrieb.

Volume Loss (unter Berücksichtigung der Vortriebsart) und K-Wert (unter Berücksichtigung des anstehenden Bodens) wurden aus den Setzungsmesswerten von rund 100 Setzungsmulden der Beispielprojekte rückgerechnet und statistisch ausgewertet. Es wurden jeweils die 5-%-, 50-%- und 95-%-Quantile für beide Parameter ermittelt und als untere, mittlere und obere Rechenwerte VL bzw. K aufgeführt.

Die entsprechenden Rechenwerte wurden im Sinne einer übersichtlichen, vereinfachenden Betrachtung für den Volume Loss nach der Vortriebsart für Flüssigkeits- und Erddruckschilde unterschieden und für den K-Wert getrennt für grobkörnige, feinkörnige und gemischt­körnige Böden angegeben. Sowohl der Volume
Loss als auch der K-Wert in situ hängen jeweils
nicht ausschließlich von den Parametern ab, nach denen sie im vorliegenden Bericht unterschieden werden. Es ist davon auszugehen, dass sie einem komplexen Zusammenspiel vielfältiger Einflüsse unterliegen.

Insgesamt zeigt die Analyse eine vergleichsweise große Bandbreite der aus Vortrieben mit Flüssigkeitsschild bzw. Erddruckschild im Lockergestein rückgerechneten Volume-Loss-Werte, die nahezu unabhängig vom TBM-Durchmesser auftritt.

• In der Prognose-
stufe1 werden stan­dardmäßig die möglichen Setzungs­mulden mit den unteren, mittleren und oberen
Prognose­werten Pu, Pm und Po ermittelt, wobei jeweils der mittlere Rechen­wert K (50-%-Quantil des Parameters der Setzungsmuldenbrei­te) mit dem unteren, mittleren und obe­ren Rechenwert VL (5-%-, 50-%- bzw.
95-%-Quantile des Volume Loss) kombiniert wird.
Infolgedessen ergibt sich in Übereinstimmung mit
den erfassten Messwerten der Referenzprojekte stets
eine gewisse Bandbreite für die prognostizierten
Setzungen.

In der Prognosestufe 2 werden als Extremwertbetrach­tung zwei weitere Kombinationen, die konservativen Prognosewerte Pk1 und Pk2, verwendet. Diese kann in Abhängigkeit von der konkreten Aufgabenstellung, z. B. bei der Untersuchung von Bauwerken im näheren bzw. weiteren Umfeld der Tunneltrasse, angewandt werden. Hierbei werden – analog zur in situ festgestellten Streuung des K-Wertes – breitere und auch schmälere Setzungs­mulden im Vergleich zur Prognosestufe 1 betrachtet. Damit werden innerhalb der Prognosestufe 2 auch Randwerte aus der statistischen Auswertung für den K-Wert und den Volume Loss berücksichtigt. Infolge der Bauwerkssteifigkeit können die Setzungsmulden von Bauwerken von den in Kap. 1 und 2 behandelten Freifeldsetzungen abweichen mit einer in der Regel flacheren Mulde.

Die Setzungsabschätzung mit Hilfe der Prognose­stufen 1 und 2 zeigt eine Bandbreite der maximalen Setzungsmaße und der Setzungsmuldenformen auf, die sich auf Basis der Auswertung von rund 100 Setzungs­mulden aus Projektbeispielen ergeben kann.

Wendet man diese Prognosestufen 1 und 2 auf die ausgewerteten Projekte an, so ergibt sich teilweise eine sehr gute Übereinstimmung der Berechnung mit den gemessenen Setzungswerten (siehe z. B. Metro­-Linie 5 in Mailand). Es liegen jedoch auch Beispielprojekte vor, in denen diese Prognose die in situ aufgetre­tenen Messwerte deutlich überschätzt.

Für in Planung befindliche Tunnelprojekte sollte die rechnerische Setzungsabschätzung nicht von zu optimistischen Randbedingungen ausgehen, sondern
grundsätzlich eher konservativ angelegt sein.

Bis dato existiert noch kein Berechnungsverfahren, mit dem für beliebige gängige Projektrandbedingungen eine präzise Prognose der vortriebsbedingten Setzungsmaße und der Form der Setzungsmulden erstellt werden kann, die anschließend durch Messwerte bestätigt wurde und eine belastbare Begründung für die in situ festgestellten, zum Teil sehr unterschiedlichen Verformungen liefert.

In Einzelfällen ist eine Nachrechnung von Setzungs­messungen, z. B. mit der Finite-Element-Methode, gut gelungen, und der Einfluss einzelner Parameter konnte anschaulich analysiert werden (Leca & New 2007, Mair 2013). Jedoch ist eine zuverlässige umfassende Übertragung derartiger numerischer Modelle
auf andere Projektrandbedingungen noch nicht möglich – vermutlich aufgrund der Heterogenität der Einflussfaktoren, wie z. B. der Baugrundeigenschaften, der Verfahrenstechnik beim TBM-Betrieb und der diversen hierbei auftretenden Interaktionen.

Umso wichtiger bleibt daher der Blick auf Erfahrungs­werte, um Anhaltspunkte dafür zu erhalten, welches Setzungsverhalten bei anderen vergleichbaren Projekten bereits aufgetreten ist und basierend darauf, mit welchem Setzungsverhalten bei neu geplanten Projekten vermutlich gerechnet werden kann (Prognosestufe 1) bzw. welche maximalen Setzun­gen/Setzungs­differenzen/Schiefstellungen nicht aus­ge­schlos­­­sen werden können (Prognosestufe 2). In diesem Kontext sind die Prognosestufen 1 und 2 einzuordnen.

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