Baulicher Brandschutz im Strenger Tunnel

Der österreichische Strenger Tunnel in Tirol wurde 2016 im Zuge einer Sanierung mit baulichem Brandschutz ausgestattet. Die gewählte Lösung mit Brandschutzplatten umfasste darüber hinaus auch Brandschutzstopfen und -steine für Abschottungen. Durch die Auswahl der geeigneten Systeme konnten die Sicherheitsanforderungen hinsichtlich des Brandschutzes erfüllt werden. Im vorliegenden Artikel wird auf die Montage der Brandschutzmaterialien näher eingegangen.

1 Einleitung

Der in den Jahren 2000 bis 2005 gebaute Strenger Tunnel auf der S16 Arlberg Schnellstraße ist rund 5,8 km lang und besteht aus zwei Röhren. Der zwischen den Tunneln Quadratscher im Osten und Flirscher im Westen gelegene Straßentunnel wurde nach der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise errichtet und führt an der Gemeinde Strengen am Arlberg vorbei, wodurch er das Ortsgebiet vor Verkehrslärm und Belastung durch Abgase schützt [1].

Im Zuge der Sanierung und der Verbesserung der Tunnelsicherheitseinrichtung bis Dezember 2016 lag ein besonderes Augenmerk auf dem baulichen Brandschutz, d. h. der Brandschutzverkleidung im Gewölbe- und Galeriebereich des Westportals, und auf der Herstellung von Abschottungen mit intumeszierenden Materialien.

Vor der Sanierung waren im Strenger Tunnel bis auf Brandschutztüren und Brandschotts im Bereich der Kabelkanäle keine passiven Brandschutzmaßnahmen getroffen worden. Die baulichen Anlagenverhältnisse sowie die Umgebungsbedingungen erforderten aufgrund neuer Vorschriften im Westportal über ca. 120 bzw. 125 m Länge [3] sowie im Galeriebereich nun die Realisierung des passiven Brandschutzes mithilfe von Brandschutzplatten [1].

2 Die Wahl für das System mit Brandschutzplatten

Eine essentielle Information für die Auswahl der Plattendicke ergibt sich in Österreich durch die Bestimmung von Schutzniveaus für den baulichen Brandschutz für Straßentunnel, welche im Zuge der Planung ermittelt werden. Diese Schutzniveaus (abgekürzt mit SN) werden in der Richtlinie RVS 09.01.45 im Detail behandelt. Ausschlaggebend für die Auswahl sind die Umfeldkriterien des durch Platten zu schützenden Tunnels bzw. Tunnelabschnitts [4].

Im Zuge der Sanierungsplanung wurde der Strenger Tunnel mit Schutzniveau 2 bemessen, was im vorliegenden Fall einen Brandschutz nach HCINC-Tunnelbrandkurve über 90 Minuten bedeutet. Ein großes Augenmerk lag auch auf der Möglichkeit der nachträglichen Demontierbarkeit zu Inspektionszwecken [2].

Die HCINC-Tunnelbrandkurve (auch HCM-Tunnelbrandkurve genannt) ist eine Temperatur-Zeit-Kurve, welche speziell für Tunnelprojekte herangezogen wird. Sie basiert auf Flüssigkeitsbränden (z. B. Benzin- oder Diesellachenbrände) und erreicht bereits nach kürzester Zeit Temperaturen von 1300 °C, wobei sie danach konstant über einen geforderten Zeitraum auf dieser Maximaltemperatur bleibt [4]. Neben der für den Brandschutz in Straßentunneln relevanten RVS 09.01.45 gibt es in Österreich eine weitere Richtlinie für ebendiese Thematik, welche den Namen „Schutzschichten für den erhöhten Brandschutz für unterirdische Verkehrsbauwerke“ trägt und die dem Projekt zugewiesene Kurve als modifizierte Hydrocarbonkurve beschreibt [5].

Die Planung ergab zudem die Forderung nach maximal 300 °C Interface-Temperatur (Betontemperatur direkt hinter den Brandschutzplatten) nach 90 Minuten Dauer und geforderter Tunnelbrandkurve [3].

Für den Strenger Tunnel fiel die Entscheidung aufgrund des guten Zustands der Innenschale und der Baulogistik auf die Lösung mit Brandschutzplatten [1]. Christoph Wanker, Projektleiter der ASFINAG für die Sanierung des Strenger Tunnels, begründet die Auswahl von Brandschutzplatten als Methode des baulichen Brandschutzes folgendermaßen: „Im Vergleich mit der alternativen Lösung des Brandschutzes durch Auftragen von Spritzbeton hat die ausgeführte Lösung mit Brandschutzplatten doch erhebliche Vorteile. Neben der Flexibilität für den Einbau im Tunnelquerschnitt und vor allem im Bereich bestehender Einrichtungen ist die sehr geringe Behinderung für den Verkehr und die restlichen Arbeiten hervorzuheben. Dies hat für uns wesentlich zur Entscheidung für ein System mit Brandschutzplatten beigetragen.“

3 Montage der Brandschutzplatten

Für den Strenger Tunnel wurden ca. 5000 m² Oberfläche im Galerie- und Gewölbebereich der Westportale beider Röhren mit Brandschutzplatten versehen. Im Rahmen der Komplettsanierung des Tunnels war es nötig, zuerst die Nordröhre zu sperren, während die Südröhre für den Verkehr offenstand, um den Verkehrsfluss weiterhin aufrecht zu erhalten. Im Anschluss wurde die Nordröhre für den Verkehr geöffnet, um die Sanierungsarbeiten in der Südröhre durchführen zu können. Die Applikation der Brandschutzplatten dauerte je Tunnelröhre fünf Wochen und wurde durch Lindner Isoliertechnik und Industrieservice Österreich durchgeführt.

Die für dieses Projekt ermittelten Brandschutzanforderungen konnten mit der Tunnelbauplatte in einer Plattendicke von 20 mm erfüllt werden. Von großer Bedeutung war auch die Auswahl eines geeigneten Befestigungsmittels in der richtigen Werkstoffgüte. Die Kombination der Kalzium-Silikat-Brandschutzbauplatten und der hochkorrosionsbeständigen Nagelanker FNA II 6x30 M6/30 inklusive Unterlegscheiben und Sicherungsmuttern von Fischer in der Güte 1.4529 ermöglicht auch eine nachträgliche Demontage, um Inspektionen durchführen zu können, ohne dabei die Brandschutzplatten zu beschädigen. Das Material der für den Strenger Tunnel gewählten Tunnelbauplatte weist nicht nur Brandwiderstände nach hochtemperierten Tunnelbrandkurven auf, sondern auch, wie in der zuvor erwähnten ÖBV-Richtlinie [5] beschrieben, eine Frost-Tau-Beständigkeit nach EN 12467.

Im Gewölbebereich des Strenger Tunnels wurden Brandschutzplatten mit den Maßen 2500 x 598 x 20 mm montiert. Die ausgewählte Kalzium-Silikat-Brandschutzplatte hat die positive Eigenschaft, dass sie nachträglich gekrümmt in das Gewölbe hineingedrückt und montiert werden kann. Ist jedoch der Durchmesser des Tunnelbauwerks im Vergleich zur Plattendicke zu gering – wie es beim Strenger Tunnel der Fall war – empfiehlt es sich, die Platten polygonal zu verbauen, ohne eine Krümmung des Materials herbeizuführen. Die im Gewölbebereich verbauten Brandschutzplatten wurden mit zehn Nagelankern je Platte montiert. Um den erwarteten Sog- und Drucklasten im Tunnel entgegenzuwirken, musste die gleichmäßige Verteilung der Befestigungsmittel auf der Platte eingehalten und auf die Verankerungstiefe geachtet werden.

Die Vorgabe einer unversehrten Bewehrung durch die ASFINAG wurde durch einen kompletten Bewehrungsscan inklusive Dokumentation vor der Montage der Brandschutzplatten erreicht. Eine Hinterlegung der Kalzium-Silikat-Tunnelbauplatten mit zugeschnittenen Streifen aus ebendiesem Material ist aus brandschutztechnischer Sicht nicht erforderlich und wurde auch für dieses Projekt nicht in dieser Weise ausgeführt.

Eine zusätzliche Anforderung im Zuge der Applikation des baulichen Brandschutzes lag in der Montage mit Berücksichtigung der Möglichkeit der Wasserabführung an der Tunnelwand hinter den beschichteten Brandschutzplatten. Dies konnte mit ausreichend dicken Abstandsbändern erzielt werden, welche im Zuge der Montage der Kalzium-Silikat-Platten mit im Beton verankert wurden und so für den Abstand zwischen der Tunnelwand und der Platte sorgten.

4 Beschichtung der Brandschutzplatten

Die Ausschreibungsunterlagen für die Sanierung des Strenger Tunnels forderten die Beschichtung der Brandschutzplatten im Wandbereich, um eine glatte Oberfläche mit geeignetem Reflexionsgrad herzustellen, die auch leicht gereinigt werden kann [2].

Eine derartige Beschichtung von Kalzium-Silikat-Brandschutzplatten stellte ein Pilotprojekt in Österreich dar. In Zusammenarbeit mit dem Beschichtungshersteller AvenariusAgro wurde nach Vorversuchen eine Systemlösung mit einer wasserdispergierten Imprägnierung und einer ebenso wasserdispergierten Epoxidharzbeschichtung als Topcoat erarbeitet. Damit konnten, wie gefordert, die Oberflächen und Stirnflächen der Brandschutzplatten im Wandbereich bis zu 4 m Höhe in der Farbe RAL 1015 (hellelfenbein) beschichtet werden.

Die Rückseite der Brandschutzplatten wurde zusätzlich mit einer Imprägnierung versehen, um einen möglichen Feuchtigkeitszutritt von hinten zu blockieren und somit die Beschichtung an der Vorderseite bzw. den Stirnflächen vor feuchtigkeitsbedingten Beschädigungen zu schützen. Das gewählte System aus Brandschutzplatte und Beschichtung lässt sich einerseits leicht reinigen und gewährleistet andererseits auch eine funktionale Oberflächenoptik mit entsprechendem Reflexionsgrad zur Sicherheit der Verkehrsteilnehmer.

5 Brandschutz für Schottbereiche

Ein weiteres Brandschutzthema für Tunnelbauwerke sind Abschottungen. Diese waren für den Strenger Tunnel in den Kabeltrögen am Boden, in Notrufnischen und Querschlägen herzustellen. Hierfür kamen Promastop-B Brandschutzziegel und Promastop-P Brandschutzstopfen zum Einsatz – dauerelastische und im Brandfall intumeszierende Materialien, die sich insbesondere durch ihre Rauchgasdichtigkeit auszeichnen. Der große Vorteil eines solchen Schottsystems liegt nicht nur in der einfachen und schnellen Montage für den Verarbeiter der Materialien, sondern auch in der Eignung für Tunnelbauwerke.

6 Fazit und Ausblick

Passiver Brandschutz in Tunnelbauwerken hat in den letzten Jahren in Österreich immer mehr an Bedeutung gewonnen. Durch den Einsatz von Produkten für baulichen Brandschutz kann die Sicherheit im Tunnel massiv erhöht werden. Dies betrifft sowohl die Sicherheit für Verkehrsteilnehmer als auch für die Bauwerke an sich.

Mit dem Verbau von beschichteten Brandschutzplatten im Strenger Tunnel wurde eine gute Referenz für die erfolgreiche Applikation von passivem Brandschutz geschaffen, welche zusätzlich zu den Hauptanforderungen an den Feuerwiderstand auch den großen Vorteil einer angenehmen Optik für Verkehrsteilnehmer aufweist.

Literatur/References

[1] ASFINAG: B.2 Baubeschreibung/Pläne/Gutachten – Bauleistun-
gen – S16 Arlberg Schnellstraße, Tunnel Strengen, STSG Maßnah-
men; V4.00; gültig ab 2013-04-01

[2] ASFINAG: B.5 Leistungsverzeichnis – Bauleistungen – S16 Arlberg Schnellstraße, Tunnel Strengen, STSG Maßnahmen; V4.00; gültig ab 2013-04-01

[3] ASFINAG: B.3 Technische Vertragsbestimmungen für den Tunnel-
bau (zyklischer Vortrieb) – Teil B.3.3 Projektspezifische technische Vertragsbestimmungen für den Tunnelbau; V1.00, gültig ab 2010- 11-01

[4] Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, GZ.BMVIT-300.041/0073-IV/ST-ALG/2015 Österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr: RVS 09.01.45 Baulicher Brandschutz in Straßentunnel; Ausgabe 1. Oktober 2015

[5] ÖBV – Österreichische Bautechnik Vereinigung: Schutzschichten für den erhöhten Brandschutz für unterirdische Verkehrsbauwerke – Richtlinie; Ausgabe Januar 2017

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