Tunnelinspektion mit künstlicher Intelligenz
Eine Tunnelinspektion ist noch immer mit hohem personellem Aufwand verbunden – viele Arbeitsstunden, meist nachts, auf gesperrten Bahnstrecken und Straßen. Und an die langwierige Inspektion schließt sich die zeitaufwendige Verarbeitung der meist sehr subjektiven Daten an. Die Digitalisierung wird diese Arbeiten künftig erleichtern. Amberg Technologies und Amberg Engineering, zwei Unternehmen der schweizerischen Amberg Group, haben im Rahmen eines Forschungsprojekts eine cloudbasierte Plattform für die automatische Schadenserkennung mittels künstlicher Intelligenz entwickelt. In dieser neuen Amberg Inspection Cloud werden die Daten aus Tunnelinspektionen dahingehend verarbeitet, dass auf lange Sicht ein digitaler Zwilling des inspizierten Tunnels erstellt werden kann. Mit dieser Technologie sollen Inspektionskosten reduziert und die Nachhaltigkeit der Infrastruktur optimiert werden.
1 Einleitung
Jedes Jahr werden Tunnel mit einer Gesamtlänge von 4700 km neu gebaut, das entspricht einem jährlichen Zuwachs von 7 %. Damit erhöht sich auch die Anzahl der Tunnel, die künftig inspiziert werden müssen. Derzeit werden Tunnelbauwerke hauptsächlich durch Begehungen und Sichtprüfungen, basierend auf den verfügbaren Eingabedaten, überprüft. Dadurch kann man sich auf bestimmte Aspekte und Abschnitte konzentrieren, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Solche Begehungen, die zum Teil auch detaillierte Sichtprüfungen einschließen, werden von erfahrenem Personal durchgeführt, das jedoch bisweilen nicht speziell ausgebildet oder geschult ist. Häufig fehlt es am Grundwissen über die Entstehungsprozesse bestimmter Schäden und die Schwere ihrer Auswirkungen.
Nach einer Inspektion sollte der Eigentümer Antworten auf folgende Fragen zugänglich sein:
Regelmäßige, systematische Inspektionen sorgen dafür, dass die Gesamtkosten im Rahmen bleiben. Sie dienen dazu, kritische Bereiche frühzeitig zu erkennen und mit Sanierungsmaßnahmen zu beginnen, solang die Schadensbereiche noch klein sind. Ohne regelmäßige Inspektionen steigt das Risiko gravierender Zwischenfälle, die eine umfangreichere Sanierung nach sich ziehen.
2 Methodik der Tunnelinstandhaltung
2.1 Aktueller Stand der Technik
Um die Betriebssicherheit, Gebrauchstauglichkeit und strukturelle Sicherheit eines Tunnelbauwerks möglichst kostengünstig aufrechtzuerhalten, muss ein ausgereiftes Werterhaltungskonzept umgesetzt werden. Die Basis eines solchen Werterhaltungskonzepts bildet meist eine regelmäßige Überwachung, d. h. regelmäßige Vermessung und Inspektionen.
Für den Erhalt eines Tunnels sind Begutachtungs‑ und Instandhaltungsarbeiten nötig.Die Begutachtung umfasst Inspektionen, Sichtprüfungen und Messungen, Funktions‑ und Materialprüfungen. Daraus ergibt
welche Instandhaltungsarbeiten erforderlich sind. Je nach Zustand des Tunnels können präventive, korrektive oder erneuernde Arbeiten durchgeführt werden. Sobald der Tunnel fertig gebaut ist, beginnt mit der ersten Inspektion, bei der der Ist-Zustand aufgenommen wird, schon das Instandhaltungsmanagement. Die Begutachtung dient sowohl der Dokumentation des Anfangszustands als auch der fortlaufenden bzw. regelmäßigen Dokumentation der Zustandsentwicklung.
Nach der Klassifizierung muss für die Zustandsklassen 2 bis 5 das weitere Vorgehen definiert werden (präventive Instandhaltung, korrektive Instandhaltung oder Erneuerung).
Dies muss für den gesamten Tunnel bzw. das gesamte Tunnelnetz erfolgen, um eine Priorisierung hinsichtlich der Schwere der Schäden und der Baukosten vornehmen zu können. Im Anschluss kann der Eigentümer oder Betreiber Finanzierungs‑ und Maßnahmenpläne erstellen. Schlussendlich wird anhand der für das gesamte Netz erstellten Prioritätenliste ein Instandhaltungsplan für den Tunnel (oder den Bereich) verfasst.
2.2 Vorteile und Grenzen der Digitalisierung
Auch wenn die Bewertung von erfahrenen Ingenieuren vorgenommen wird, beruht sie doch auf deren subjektiver Einschätzung. Diese Subjektivität muss reduziert werden, ohne die Ingenieure von ihrer Verantwortung zu entbinden. Digitalisierung und künstliche Intelligenz drängen die Baubranche dazu, immer mehr Standardverfahren zu entwickeln, die die Bewertung verschiedener Phänomene vereinfachen, beschleunigen und vereinheitlichen. Diese Entwicklung ist bereits jetzt wichtig, um die offensichtlicheren Ergebnisse deutlich hervorzuheben und die Kommunikation zwischen allen am Instandhaltungsprozess beteiligten Parteien zu beschleunigen.
Aber nicht nur die Entwicklung neuer Standards wird durch die Digitalisierung vorangetrieben, auch jeder einzelne Schritt der Inspektion wird forciert. Beispielsweise können Daten aus dem Scan in Arbeitsdaten für die Instandhaltung umgewandelt werden. Aus regelmäßig durchgeführten Scans kann dann ein digitaler Zwilling des Tunnels erstellt werden.
Ein anderer Aspekt sind die sehr komplexen Auswirkungen verschiedener Schadensbilder. Dasselbe Phänomen kann unterschiedliche Bedeutung haben, abhängig von:
Obwohl durch künstliche Intelligenz viele Schritte standardisiert, digitalisiert, unterstützt, optimiert und schließlich auch beschleunigt werden, kann der Computer einige Entscheidungen in Bezug auf die Werterhaltung einfach nicht selbst treffen. Es ist unerlässlich, die Datenerfassung, ‑verarbeitung und ‑analyse zu bewerten, um die Instandhaltungsabläufe für Tunnel in die Bauwerksdatenmodellierung (BIM), die nun auch im Tunnelbau vermehrt Einzug hält, einfließen zu lassen.
Ein wichtiger Aspekt, weshalb die Verwendung neuer Technologien zur Kostenersparnis beiträgt, besteht darin, dass sich die benötigte Zeit vor Ort minimiert und weniger Personal benötigt wird. Die Datenerfassung wird detaillierter, wodurch die Vorinspektionen vereinfacht und präziser werden. Auch die Inspektionen vor Ort werden effizienter und exakter. Ein Großteil der Dokumentation einer solchen Inspektion kann direkt aus den Inspektionsdaten generiert werden. Der gesamte Datenbestand ist in der Cloud zugänglich, damit der Eigentümer des Tunnels die Inspektionsergebnisse online und in Echtzeit einsehen kann.
3 Methodik der Datenerfassung und Datenverarbeitung
3.1 Datenerfassung
Wegen der Dunkelheit, der rauen Bedingungen, der knappen verfügbaren Zeit für die Messung, der Sicherheitsbestimmungen und der hohen Anforderungen an die Genauigkeit gestaltet sich die Datenerfassung in einem Tunnel sehr schwierig. Von der Sichtprüfung bis hin zu automatisierten Verfahren gibt es derzeit verschiedenste Erfassungstechnologien. Das am häufigsten verwendete Verfahren ist die Datenerfassung mit Laserscanner. Die Lichtverhältnisse haben zwar keinen Einfluss auf die so gewonnenen Ergebnisse, aber die Farbinformationen gehen dabei verloren. Bei der Photogrammetrie ist es genau anders herum. Dieses Verfahren benötigt Licht, um gute Farbbilder zu erzeugen, nimmt aber viel Zeit in Anspruch.
Die Messausrüstung kann auf unterschiedliche Weise in den Tunnel transportiert werden: mit von Hand gezogenen Rollwagen oder mit Lokomotiven, mit ferngesteuerten Robotern oder Autos. Seit einiger Zeit wird auch der Einsatz von Drohnen in Tunneln getestet. Bild 3 zeigt die Datenerfassung mit dem Amberg MISS (Mobile Infrastructure Scanning System) im Ceneri-Basistunnel in der Schweiz.
3.2 Datenverarbeitung und ‑analyse
Daten können auf unterschiedlichste Weise erfasst werden. Letzten Endes zählt nur ihre Qualität. Daten von geringer Qualität sind für die Verarbeitung nutzlos, weil die inspizierten Phänomene meist nicht erkennbar und zusätzliche Tunnelbegehungen nötig sind. Daten von guter Qualität müssen effektiv nutzbar und wiederverwendbar sein. Das Ziel ist ein intelligentes System, dass jedes Bild und Phänomen mit Hilfe einer Datenbank vergleichen kann, wo sämtliche Zusatzinformationen erfasst und gruppiert sind. Mit einem solchen Tool lassen sich Daten einfach analysieren und zukünftig wiederverwenden.
3.3 Motivation für das Entwicklungsprojekt
Die derzeit verwendete Software TunnelMap verfügt über die erforderlichen Funktionen, um aus Zeichnungen von Phänomenen eine Datenbank zu erstellen. Allerdings hat die Software ihre Grenzen, hauptsächlich aus Altersgründen. Sie wurde vor etwa 20 Jahren entwickelt, als die Datensynchronisierung, die Vorstellungen von der Bauwerksdatenmodellierung (BIM) und die Möglichkeiten der intelligenten Konstruktion auf einem völlig anderen Niveau oder noch gar nicht existent waren.
Mit modernen Inspektionsanforderungen kann TunnelMap nicht mehr mithalten. Die Zeit ist reif für eine moderne, webbasierte Plattform, die mit den Technologien und Markterwartungen der heutigen Zeit Schritt halten kann.
4 Wie funktioniert die intelligente Inspektion?
4.1 Arbeitsablauf
Mittlerweile entsprechen Zeichnungen auf Papier nicht mehr dem Stand der Technik. Die Zukunft der Tunnelinspektion ist digital. Deshalb werden die Daten in die Cloud verschoben, um sie überall, jederzeit, von allen Geräten aus und für alle berechtigten Nutzer verfügbar zu machen. In diesem Kapitel wird die neue Plattform namens Amberg Inspection Cloud vorgestellt. Dabei werden hauptsächlich die neue Methodik und die Vorteile für die Tunnelinspektion erläutert.
4.2 Optimierung des Arbeitsablaufs
4.3 Die neue Plattform – Gründe für künstliche Intelligenz
4.4 Vom Tunnel in die Cloud
4.5 Ausblick
5 Schlussfolgerung
References | Literatur
[1] Cha, Young-Jin, et al. 2017. “Deep Learning-Based Crack Damage Detection Using Convolutional Neural Networks.” Computer-Aided Civil and Infrastructure Engineering, vol. 32, no. 5, pp. 361–378., doi:10.1111/mice.12263.
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[4] Winkler N.& Ackermann A.W., 2011, „Value Preservation of underground infrastructure through focused conceptional planning“, Amberg Engineering Ltd., Switzerland
[5] Yang, Liang & Li, Bing & Li, Wei & Zhaoming, Liu & Yang, Guoyong & Xiao, Jizhong. 2017. „Deep Concrete Inspection Using Unmanned Aerial Vehicle Towards CSSC Database.“ Conference: 2017 IEEE/RSJ International Conference on Intelligent Robots and Systems
[6] Yokoyama, Suguru, and Takashi Matsumoto 2017. “Development of an Automatic Detector of Cracks in Concrete Using Machine Learning.” Procedia Engineering, vol. 171, pp. 1250–1255., doi:10.1016/j.proeng.2017.01.418.