U-Bahn-Tunnel in Nürnberg aufgefräst
Eine Kemroc-Querschneidkopffräse KR 165 in Kombination mit einem schweren speziellen Liebherr-Bagger R 960 Tunnel wurde in Nürnberg zu einem der Schlüsselgeräte beim Auffahren von U-Bahn-Tunneln. Im Wechsel mit einer klassischen Teilschnittfräse sorgte das System auf mehreren Bauabschnitten für ein zügiges Vorankommen. Nach Angaben von Experten kann diese Lösung auch bei weiteren ähnlich gelagerten Projekten im Tunnelbau herangezogen werden.
Exakt im Zeitplan wurde am 23. März 2022 der Durchschlag auf dem letzten bergmännisch aufgefahrenen Tunnelabschnitt bei der Erweiterung der U-Bahn-Linie 3 in Nürnberg ausgeführt. Beim Vortrieb kam unter anderem ein spezieller Liebherr-Tunnelbagger mit einer Kemroc-Querschneidkopffräse KR 165 zum Einsatz.

Credit/Quelle: Kemroc
Ausbau der Nürnberger U-Bahn
Die Nürnberger U-Bahn existiert bereits seit fünfzig Jahren. Ihr Streckennetz wurde immer wieder Schritt für Schritt erweitert. Seit Januar 2020 wird die dritte und jüngste Linie U3 nach Westen ausgebaut. Bis 2023 soll ein neuer, gut 2 km langer Streckenabschnitt ober- und unterirdisch die Stadtteile Kleinreuth und Gebersdorf verbinden und an das bestehende Liniennetz anschließen. Den Auftrag für diesen Bauabschnitt erhielt die ARGE „U-Bahn Nürnberg U3 Südwest BA 2.2“, jeweils zur Hälfte getragen von Hochtief Infrastructure (technische Federführung) und Max Bögl (kaufmännische Federführung). Zu den wichtigsten Bauwerken der ARGE zählen zwei Bahnhöfe, zwei Tunnel in offener Bauweise, eine Wendeanlage sowie zwei bergmännisch aufgefahrene Tunnel – ein einröhriger (zweigleisiger), 356 m langer Tunnel mit 75 m² Querschnitt und ein zweiröhriger (eingleisiger), 585 m langer Tunnel mit 35 m² Querschnitt pro Röhre.
Der zweiröhrige Tunnel unterquert den Main-Donau-Kanal, der einröhrige Tunnel verläuft unter einer Bahnstrecke. Für ihren Vortrieb wurde die konventionelle Tunnelbauweise gewählt. Konkret war vorgesehen, die Arbeitsschritte des Lösens und Schutterns mit einer vergleichsweise mächtigen Teilschnittmaschine auszuführen. Zusätzlich wurde als Backup ein spezieller Bagger Liebherr R 960 Tunnel mit einer Kemroc-Querschneidkopffräse KR 165 bei gelegentlichen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an der Teilschnittmaschine eingesetzt. Diese Kombination erreichte sehr gute Leistungswerte.
Querschneidkopffräse KR 165
Am 23. März 2022 erfolgte der Durchschlag auf dem letzten bergmännisch aufgefahrenen Tunnelabschnitt
Credit/Quelle: Kemroc
Seit 2021 produziert der Hersteller Kemroc neben seinen wandelbaren bzw. serienmäßigen Kettenfräsen auch klassische Querschneidkopf- bzw. Doppelkopffräsen. Die Modelle der Serie KR sind die stärksten am Markt und für Trägergeräte von 1 bis 125 t verfügbar. Aufgrund ihrer robusten Bauweise sind sie geeignete Anbauwerkzeuge für vibrations- und geräuscharme Abbrucharbeiten von bewehrtem Beton sowie für Trägergeräte mit kurzem Ausleger an beengten Einsatzorten – insbesondere im Tunnelbau. Gewichts- und leistungsmäßig im Mittelfeld der Querschneidkopffräsen von Kemroc befindet sich die KR 165 (160 kW) für Bagger von 35 bis 55 t Einsatzgewicht. Eine solche KR-165-Fräse kam auch in Nürnberg zum Einsatz.
Bagger-Fräsen-Kombination als Hauptvortriebsgerät
Nach der ersten Verwendung als Backup-Gerät wurde sie später im Wechsel mit der Teilschnittmaschine eingesetzt. „Diese Bergbaumaschine blieb natürlich das Hauptvortriebsgerät“, so Bauleiter Ruben Mohrs, bei diesem Projekt verantwortlich für Vortrieb und Innenschale. „Sie ist größer und kann mehr Druck auf das Gebirge an der Ortsbrust ausüben. Die Kombination aus Tunnelbagger und Anbaufräse erwies sich in der Gesamtheit der Arbeitsabläufe jedoch als ausgesprochen flexibel. Beim Gegenvortrieb wurde die Bagger-Fräsen-Kombination dann aus logistischen Gründen sogar als Hauptvortriebsgerät eingesetzt. Insbesondere im engen Raum hatte sie durch das kompakte Baumaß ihre besonderen Vorteile. Eine weitere günstige Eigenschaft der Bagger-Fräsen-Kombination bestand darin, dass sich neben dem Tunnelvortrieb auch flexibel der Querschlag ausführen ließ.“

Credit/Quelle: Kemroc
Starker aber gleichzeitig kompakter Tunnelbagger
Ralph Scheithauer beteiligte sich während der zweijährigen Entwicklung des speziellen Baggers Liebherr R 960 Tunnel in einem Projektteam aus Tunnelbauleitern und Technikern des Liebherr-Werks Colmar. Das Ziel bestand darin, einen Tunnelbagger zu entwickeln, der in einer Mischgeologie durch erhöhte Losbrechkraft noch Material lösen kann, wo normalerweise Lockerungssprengungen notwendig sind. Eine hierfür geeignete Maschine sollte schwerer und stärker, aber nicht größer als die marktüblichen Tunnelbagger sein, sondern möglichst kompakt. Dies ist nach Scheithauers Aussage mit dem speziellen 50-Tonner Liebherr R 960 Tunnel gelungen.
Kräftig und gedrungen wirkt der Liebherr R 960 Tunnel. Er ist mit rund 50 Tonnen Einsatzgewicht rund 6 Tonnen schwerer als das Vergleichsmodell R 944 Tunnel
Credit/Quelle: Kemroc
„Die zurzeit auf dem Markt befindlichen Tunnelbagger“, erläutert er, „sind in der Leistungsklasse bis 44 Tonnen angesiedelt. Das Lösen einer leichten Spreng-Geologie oder einer Mixed-Face-Geologie, wie bei unserem Tunnelbauprojekt in Nürnberg, ist mit diesen Geräten nicht oder nur mit Einschränkung möglich. Dagegen haben wir die Kombination aus Tunnelbagger und Anbaufräse als vollwertige eigenständige Vortriebsmaschine eingesetzt.“
Der Liebherr R 960 Tunnel ist mit rund 50 t Einsatzgewicht etwa 6 t schwerer als das Vergleichsmodell R 944 Tunnel. Er verfügt über 210 kW Motorleistung (rund 20 kW mehr), eine Hydraulikleistung von 2 x 317 l/min + 1 x 60 l/min (2 x 72 l/min
mehr) sowie eine Reiß- und Losbrechkraft von 275 bzw. 346 kN (115 % bzw. 100 %).