Hohe Mechanisierung für die konventionellen Hauptvortriebe des
Ceneri-Basistunnels

Die Hauptvortriebe des Ceneri-Basistunnels werden konventionell vom Zwischenangriff Sigirino aufgefahren. Bauherr und Arbeitsgemeinschaft haben sich für eine hohe Mechanisierung des Sprengvortriebes entschieden. Die eingesetzten Anlagen führen zu einer Rationalisierung der Arbeitsabläufe und somit zu einer bemerkenswerten Produktivitätssteigerung. Außerdem profitieren alle Beteiligten von einer Humanisierung der Arbeitsplätze sowie einer gleichzeitigen Erhöhung der Arbeitssicherheit.

Der Ceneri-Basistunnel

Der Ceneri-Basistunnel ist die logische Fortsetzung des Gotthard-Basistunnels Richtung Süden und macht die neue Gotthardbahn zu einer durchgehenden Flachbahn durch die Alpen. Dank der flachen, gestreckten Trassierung werden Güterzüge von bis zu 4.000 t Anhängelast mit bis zu 160 km/h ohne Halt und ohne Zwischen- oder Schiebeloks durch die Schweiz fahren können. Im Personenverkehr wird mit dem Ceneri-Basistunnel zukünftig die Fahrzeitreduktion erreicht, um den Reisenden in Zürich und Mailand optimale Anschlüsse zu gewährleisten [1].

Wie beim Gotthard-Basistunnel besteht das Tunnelsystem des Ceneri-Basistunnels aus 2 Einspurröhren, welche sich vom Nordportal Vigana/Camorino bis zum Südportal Vezia erstrecken und durch Querschläge miteinander verbunden sind. Nebst kürzeren konventionellen Vortrieben an den beiden Portalen erfolgen die Hauptvortriebe aus einer unterirdischen Kaverne (Caverna Operativa), welche durch einen 2,3 km langen und mit 5 % geneigten Fensterstollen von Sigirino aus erschlossen wurde. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Gesteinsschichten, die entlang der Strecke durchquert werden müssen, entschied sich das für das Hauptlos 852 beauftragte Consorzio Condotte Cossi ausschließlich für den Sprengvortrieb, obwohl gemäß Ausschreibung auf je 4 km Länge auch ein TBM-Vortrieb möglich gewesen wäre.

Dabei setzten die Bauherrschaft Alptransit Gotthard AG und das Consorzio Condotte Cossi auf eine hohe Mechanisierung des Sprengvortriebs und beauftragten die Rowa Tunnelling Logistics AG mit der Entwicklung, Herstellung, Lieferung, Montageleitung und Inbetriebnahme von 4 schraubengleichen Vortriebsinstallationen.

Konzept der Vortriebseinrichtungen

Bei der Auslegung der Vortriebsinstallationen in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden konnte Rowa ihre bei der Vortriebsmechanisierung anderer Untertagbauwerke gewonnenen Erkenntnisse einbringen. So flossen in die Vortriebsinstallationen für den Ceneri-Basistunnel insbesondere die Erfahrungen mit den aufgehängten Arbeits- und Vortriebsbühnen vom Baulos Mitholz des Lötschberg-Basistunnels sowie von den Baulosen Sedrun und Amsteg des Gotthard-Basistunnels ein [2].

Jede Anlage besteht im Wesentlichen aus Ventilationsbühne, Vortriebsbühne, Sohlbetonbühne, Brecher, Förderbändern und Monorail (Einschienenhängebahn) (Bild 1).

Rascher Zugang zur Ortsbrust und Gesundheitsschutz dank blasender und saugender Bewetterung

Optimale Lüftung und Kühlung sind wichtige Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit im Tunnelvortrieb.

Die Frischluft wird am Portal des Sondierstollens Sigirino angesaugt und über Sondierstollen bzw. ab der Caverna Operativa über Lutten bis zum Heck der jeweiligen Vortriebsbühne geblasen. Die Frischluft wird hier von 2 Stufen à je 2 Ventilatoren übernommen (max. 2 x 16 m3/s Gesamtleistung) und in 2 Lutten mit 900 mm Durchmesser bis zur Ortsbrust befördert.

Erstmals konstruierte die Rowa Tunnelling Logistics AG für dieses Projekt eine von der Vortriebsbühne unabhängig verfahrbare Ventilationsbühne. Diese ist Träger für die Spirallutten der blasenden Bewetterung und kann 40 m teleskopiert werden, bis ca. 30 m hinter der Ortsbrust (Bild 2). Damit lässt sich die Zufuhr von Frischluft optimieren und die Sprengschwade effizient spülen. Letztere wird vorne an der Vortriebsbühne mit einem Ventilator (max. 28 m3/s Leistung) abgesaugt und am Heck der Vortriebsbühne von einem zweiten Ventilator durch eine Abluftlutte mit 1.800 mm Durchmesser bis zum Fensterstollen befördert. Somit wandert die Sprengschwade nicht durch die Vortriebsbühne und die rückwärtige Sohlbaustelle. Für den Sprengvorgang wird die Ventilationsbühne bis zum Brecher eingefahren und ist außerhalb des Gefahrenbereiches. Alle Ventilatoren können zentral gesteuert werden; die Ventilationsbühne kann nach der Sprengung per Knopfdruck im Bereich des Sicherheitscontainers mittels Reibradantrieb ausgefahren werden. Die Tunnelbauer sind somit der gesundheitsschädigenden Sprengschwade kaum noch ausgesetzt; die Ortsbrust ist möglichst schnell wieder frei und für die Schutterungs- und Sicherungsarbeiten zugänglich.

Die Erdwärme nimmt zu, je tiefer ein Bauwerk unter der Erde liegt; die leistungsstarken Baugeräte produzieren zusätzliche Abwärme. Auf den Vortriebsbühnen ist bereits Platz für einen allfälligen Einbau von Kühlmaschinen vorgesehen worden, sollte die Lüftung beim Ceneri-Basistunnel (Überlagerungen von bis zu 800 m) zur Einhaltung der Klimagrenzwerte der SUVA durch eine Kühlung ergänzt werden müssen.

Gleichzeitiges Nachziehen der gesamten Infrastruktur und viel Platz für die Baugeräte

Auf der 135 m langen Vortriebsbühne finden alle Infrastruktur-Aufbauten Platz. Es sind dies insbesondere ein Entstauber mit 1.200 m3/s Leistung, die Ventilatoren für die blasende und saugende Bewetterung, ein Druckluftkompressor, eine Wasserdruckerhöhungsanlage, ein Notstromaggregat (200 kVA Leistung), ein Trafo für die Umwandlung der eingezogenen Mittelspannung (16‘000 V) auf 380 V bzw. 220 V sowie eine Hochspannungskabeltrommel. Zusätzlich befinden sich auf der Bühne ein Container für die Vortriebsleitung, je ein Lagercontainer für Elektriker und Mechaniker, Hebegeräte, Luttenspeicher für die blasende und saugende Bewetterung sowie ein Wartungsbereich für die Monorail.

Genauso wie Ventilationsbühne, Sohlbetonbühne und Förderbänder verfährt die Vortriebsbühne in Hängeschienensträngen, welche mittels Ketten und Spezialadapter an Reibrohrankern des Typs Bellex 120 Forte am Gewölbe aufgehängt sind.

Drei Schreitwerke samt dazugehörender Hydraulik und Steuerung sind auf der Vortriebsbühne, 3 weitere entlang des Schleppbandes so verteilt, dass die gesamte Vortriebsinstallation per Knopfdruck und dem Vortriebsfortschritt entsprechend nach vorne gezogen werden kann.

Unter der Vortriebsbühne steht den Tunnelbauern auf der Sohle eine zweite Arbeitsfläche und ein abstützungsfreier Arbeits-, Manövrier- und Parkraum zur Verfügung (Bild 3). Mit den übersichtlichen Platzverhältnissen, durch die Rationalisierung der Arbeitsabläufe und dank der großzügigen Beleuchtung konnte die Arbeitssicherheit maßgebend erhöht werden.

Backenbrecher, Schleppband und Transferband für die Entsorgungslogistik

Rowa Tunnelling Logistics AG und ihr Auftraggeber Consorzio Condotte Cossi haben ein Logistiksystem umgesetzt, mittels welchem der Materialtransport per Knopfdruck von der Brust bis zum Portal des Fensterstollens und – unter Einbezug des Unterakkordant Materialbewirtschaftung – bis zur Deponie gesteuert werden kann.

Das ausgebrochene Material wird nach jedem Abschlag von der Ortsbrust mit einem Fahrlader über eine Distanz von 50 bis 70 m zum raupenmobilen Brecher mit Vorsieb, Sieb und Metallausscheider transportiert.

Unter der Vortriebsbühne hängt das 630 m lange und 800 mm breite Schleppband, welches für die Entsorgung des vom Backenbrecher zerkleinerten Ausbruchmaterials verantwortlich ist. Der Steigbereich hinter dem Brecher kann für das Verschieben der Hängebühne hochgezogen werden.

Das Schleppband wirft das Ausbruchmaterial auf ein Transferband ab, welches alle 330 m gleichzeitig mit der Verlängerung des Streckenbandes nachgezogen wird. Querbänder transportieren das Ausbruchmaterial der Oströhren durch die Querschläge zu den Streckenbändern in den Weströhren (Bild 4).

Eine Monorail stellt direkte Versorgung des Vortriebs sicher

Die Versorgung des Vortriebs mit Sicherungsmaterialien, Spritzbeton in Mischcontainern, Betriebs- und Verschleißmaterialien sowie Sprengstoff wird durch eine Monorail sichergestellt, welche die Sohlbaustelle und die Vortriebsinstallation überbrückt.

Die Monorail verfährt in einem zusätzlichen Hängeschienenstrang, welcher mittels Ketten und Ringschrauben an Reibrohrankern des Typs Bellex 240 Forte Mono am Gewölbe aufgehängt ist. Abspannungen fangen die auftretenden Beschleunigungs- und Verzögerungskräfte ab.

Die Materialien werden per Lkw auf der fertig erstellten Tunnelsohle in den dafür vorgesehenen Behältnissen angeliefert. Mit der Monorail (Nutzlast 15 t, Bild 5) werden diese Lasten direkt bis zum Vortrieb mit einer maximalen Geschwindigkeit von 1,8 m/s transportiert. Zwischenstationen entlang der 400 m langen Strecke können ebenfalls bedient werden.

Tunnelsohle wird laufend mit dem Vortrieb erstellt

Die Sohle wird auf der ganzen Breite gleichzeitig zum Vortrieb mit einer selbstschreitenden Schalung nachgezogen. Der Ortbeton wird per Lkw angeliefert und mit einem an der Sohlbetonbühne hängenden 15-t-Schwerlastkran (Bild 6) bis zur Einbaustelle transportiert. Schwere Ersatzteile für die Baugeräte können ebenfalls mit dem fahrbaren Kran über die Sohlbaustelle transportiert werden.

Die 66 m lange Sohlbetonbühne kann mit insgesamt 8 Reibradantrieben verfahren werden. Der relative Verfahrweg zur Vortriebsbühne beträgt ca. 50 m, dadurch werden die Abhängigkeiten beider Baustellen wesentlich reduziert.

Erste Erfahrungen bestätigen den Systementscheid

Von den rd. 40 km Einspurröhren, Kavernen, Querschlägen und Stollen, die für den Ceneri-Basistunnel gesamthaft ausgebrochen werden müssen, waren bei Redaktionsschluss knapp 1/3 ausgeführt. Drei von insgesamt 4 der gelieferten Vortriebsinstallationen standen bereits in Betrieb und konnten sich bewähren. Die vierte Anlage wird gerade in der Röhre Nord-West fertig montiert.

„Die hohe Mechanisierung des konventionellen Vortriebes bedeutet zunächst eine größere Investition für den Unternehmer, deren Rentabilität ist nur über höhere Vortriebsleistungen zu erzielen“ führt Andrea Ottolin, Projektmanager von Consorzio Condotte Cossi, aus. „Unsere Bergleute konnten schnell den erhöhten Anforderungen der hohen Mechanisierung gerecht werden. Trotz der gegenwärtigen geotechnischen Schwierigkeiten fühlen wir uns in unserem Systementscheid bestätigt und werden mit der jetzigen Lernkurve die Produktivität bald markant steigern können. Wir sind stolz, mit unseren Anlagen für den mechanisierten Sprengvortrieb den neuen Benchmark setzen zu können“, so Ottolin weiter.

Vorteile ergeben sich durch den mechanisierten Sprengvortrieb auch für die Gesundheit und Arbeitshygiene der im Vortrieb Beschäftigten. Besonders positiv wurde von den Bergleuten die neue Ventilationsbühne aufgenommen: „Das rasche Abführen der Sprenggase innert Minuten nach jedem Abschlag und die einstellbare Luftmenge machen unsere Arbeit leichter“, war von den Bergleuten zu vernehmen.

Mit den beschriebenen Anlagen verfolgt die Rowa Tunnelling Logistics AG die stetige Weiterentwicklung der Mechanisierung im Tunnelbau. Diese führt zu einer Rationalisierung der Arbeitsabläufe und somit zu einer bemerkenswerten Produktivitätssteigerung. Des Weiteren profitieren alle Beteiligten von einer Humanisierung der Arbeitsplätze sowie einer gleichzeitigen Erhöhung der Arbeitssicherheit.

Literatur

[1] Alptransit Gotthard AG (Hrsg.): Die neue Gotthardbahn. 2. Auflage (2005)

[2] Alptransit Gotthard AG (Hrsg.): Das Jahrhundertbauwerk entsteht. Gotthard-Basistunnel – der längste Tunnel der Welt. 1. Auflage. Bern: Stämpfli Verlag AG (2010)

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