CO2-Reduktion beim Einsatz von Spritzbeton im Tunnelbau

Die Spritzbetonbauweise im zweischaligen Ausbau ist ein CO2-intensives Herstellungsverfahren für Tunnelbauwerke. Dieser Artikel verdeutlicht die ökologische Bedeutung von Beton im Untertagebau und zeigt Optionen auf, wie dieser Baustoff verantwortungsbewusst und klimaschonend eingesetzt werden kann. Dabei wird insbesondere auf die planerischen und betontechnologischen Möglichkeiten eingegangen.

1 Einleitung

Ein global wachsendes Engagement für den Umweltschutz auf der einen Seite, fortschreitende Ressourcenausbeutung und klimabedingte Naturkatastrophen auf der anderen – das Thema Nachhaltigkeit rückt immer stärker in den Fokus der Gesellschaft. Angesichts der drohenden Klimakrise hat sich die Sensibilisierung für eine nachhaltige Entwicklung zum Trendthema des frühen 21. Jahrhunderts entwickelt und ist längst auch in der Bauindustrie angekommen. Der konventionelle Hochbau wird bereits heute von einer steigenden Nachfrage nach umweltbewussten Baumaterialien und effizienten Ausführungsvarianten geprägt. Im Tunnel- und Untertagebau spielt das Thema Nachhaltigkeit jedoch weiterhin eine untergeordnete Rolle. Dabei gibt es in diesem materialintensiven Sektor planungsseitig diverse Möglichkeiten, die Ökobilanz der Projekte zum Teil signifikant zu verbessern.

Auch die zunehmende Urbanisierung der Weltbevölkerung macht sich bemerkbar – in Form von verstärkten Bauaktivitäten und einem damit einhergehenden Anstieg von Treibhausgas-Emissionen. Prognosen zufolge werden bis 2050 weltweit ca. zwei Drittel der Menschheit in Städten leben und auf eine entsprechende urbane Infrastruktur angewiesen sein.

Dies bedeutet eine Abnahme des Individualverkehrs und ein notwendiges stetiges Wachstum öffentlicher Infrastruktursysteme – auch unter Tage. Moderne U-Bahn-Systeme bilden ein gigantisches unterirdisches Netzwerk aus Einstiegsstellen, Verkehrsknoten, sich kreuzenden Streckentunnel, Zugangs- und Fluchtstollen, Schächten, Stationskavernen, Entlüftungseinrichtungen und mehr. Da diese Bauwerke bevorzugt durch bergmännischen Vortrieb erstellt werden, kommen für den Ausbau überwiegend Materialien zum Einsatz, die sich leicht an die veränderlichen Querschnitte anpassen.

Skepsis gegenüber der Dauerhaftigkeit des Spritzbetons

Spritzbeton wird aufgrund der einfachen Handhabung bevorzugt als Material zur Erstsicherung eingesetzt. Obwohl jahrzehntelange positive Erfahrungen mit diesem Baustoff bestehen [1], wird Spritzbeton in den meisten Fällen nach wie vor lediglich als temporäres Stützmittel anerkannt. Die Verwendung im größeren Maßstab für die Innenschale von Tunnelbauwerken ist bis heute unüblich. Dies hängt insbesondere mit der Skepsis gegenüber der Dauerhaftigkeit des Spritzbetons zusammen. Die Folgen sind oft konstruktive Überdimensionierung und ein damit verbundener erhöhter Materialeinsatz, der sich negativ auf die CO2-Bilanz des Bauprojektes auswirkt. Im vorliegenden Artikel werden daher Potentiale zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks eines Tunnelneubaus in Spritzbetonbauweise näher erläutert.

2 CO2-Fußabdruck von Beton und Spritzbeton

Beton ist mit mehr als 14 Milliarden verbauten Kubikmetern pro Jahr der wichtigste Massenbaustoff unserer Zeit und aus dem modernen Tief- und Tunnelbau nicht mehr wegzudenken [2]. Der darin enthaltene Industriekleber Zement hat jedoch ein Klimaproblem, denn bei der Herstellung des Klinkers für den Zement werden während des Brennvorgangs enorme Mengen an – zuvor chemisch gebundenem – CO2 freigesetzt. Mit Treibhausgasemissionen von rund 800 kg CO2e/t Klinker ist Zement für bis zu 91 % des CO2-Fußabdrucks von Beton [3] und weltweit für ca. 8 % der anthropogenen CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist viermal so viel wie der gesamte globale Flugverkehr. Die ökologisch wie ökonomisch effiziente Verwendung des Klinkers im Beton und Spritzbeton ist demzufolge maßgebend für die Verbesserung der Ökobilanz von Tunnelbauwerken.

Da Spritzbeton, aufgrund des hohen Anteils an Portlandzement in der Rezeptur, üblicherweise eine sehr schlechte Ökobilanz aufweist, sollten Optimierungspotentiale bereits während der Planungsphase diskutiert und berücksichtig werden. Bereits geringfügige Änderungen der Rezeptur und eine Steigerung der Klinkereffizienz des Baustoffs können zu einer signifikanten Verbesserung der Ökobilanz des gesamten Bauwerks führen. Dies liegt nicht zuletzt an der enormen Masse an benötigtem Baumaterial in Tunnelgroßprojekten.

Zement ist für 66 % der CO2-Emissionen beim Brenner Basistunnel verantwortlich

Referenz [4] verdeutlicht diesen Zusammenhang am Beispiel des Brenner-Basistunnel-Projekts (220 km Tunnel gesamt, NÖT und TVM). Hier ist der Anteil der CO2-Emissionen aus der Zementproduktion für 66 % der Gesamtemissionen während der Bauphase verantwortlich. Alle anderen Betonbestandteile und dessen Herstellung haben lediglich einen Anteil von 18 %, während die gesamten restlichen Aufwände und Prozesse, wie z. B. die für den Betrieb der TVM benötigte Energie, Treibstoffe, Abdichtungsmaterialien und dergleichen gerade mal auf 16 % kommen (Bild 1)

1 | CO2-Emissionen beim Bau des Brenner Basistunnels
Credit/Quelle: [4]/Master Builders Solutions

1 | CO2-Emissionen beim Bau des Brenner Basistunnels
Credit/Quelle: [4]/Master Builders Solutions
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Zur Reduktion der Treibhausgasemissionen einer Betonrezeptur können klinkereffiziente Kompositzemente sowie puzzolanische, latent hydraulische und/oder inerte Zementersatzstoffe und Füller (z. B. Hüttensand, Kalksteinmehl, etc.) zum Einsatz kommen. Bild 2 zeigt das CO2-Einsparpotential dieser nachhaltigen Betone. Da die sogenannten Ökobetone jedoch einige Herausforderungen hinsichtlich ihrer Verarbeitbarkeit und mechanischer Eigenschaften aufweisen, sind ein umfangreiches betontechnologisches Know-how und die optimale Abstimmung der eingesetzten Zusatzmittel in solchen Systemen unabdingbar, um die notwendigen Anforderungen an Konsistenz, Frühfestigkeit und Dauerhaftigkeit zu erfüllen.

2 | Potenzial zur Treibhausgasreduktion durch ökologisch optimierte Betone
Credit/Quelle: [5]/Master Builders Solutions

2 | Potenzial zur Treibhausgasreduktion durch ökologisch optimierte Betone
Credit/Quelle: [5]/Master Builders Solutions

Die oben angestellten Betrachtungen zur Ökobilanz von Beton und das Wissen, dass der Klinker im Zement den CO2-Eintrag im Untertagebau dominiert, führen zwangsläufig zu der Frage, ob der zweischalige Ausbau und die Vernachlässigung der Dauerhaftigkeit des Spritzbetons Stand der Technik bleiben dürfen. Überlegungen dazu werden nachfolgend angestellt.

3 Spritzbeton als dauerhafter Ausbau

Spritzbeton wird heutzutage meist mit computergesteuerten Mischanlagen hergestellt und mittels hochmoderner Spritzgeräte aufgetragen. Die Qualität des Auftrags hat sich in den letzten Jahren durch Verbesserung der Maschinentechnik und eine hohe Qualifikation der Düsenführer kontinuierlich verbessert. Auch die Zement- und Chemieindustrie haben einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg der Spritzbetonbauweise, denn die zur Verfügung stehenden Lösungen und Materialien werden zunehmend leistungsfähiger. Prüfungen an Tunnelbauwerken der 1970er und 1980er Jahre in Österreich [1, 6] kamen diesbezüglich zu unvorhergesehenen Resultaten: nämlich, dass der Spritzbeton auch nach etwa 40–50 Jahren seine Leistungsfähigkeit beibehalten hat, obwohl er ursprünglich nur als temporäre Sicherung entworfen und eingebaut worden war.

Die tatsächlichen Festigkeiten liegen heute über den bemessenen Designfestigkeiten, und die Innenschalen sind zudem nur gering belastet. Diese Erkenntnisse zeigen, dass die üblichen statischen Bemessungskonzepte wahrscheinlich übermäßig weit auf der sicheren Seite liegen und aufgrund der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatten kritisch hinterfragt werden sollten.

Ausführungsbeispiele

In Publikationen der ITA [7] sowie [8] wird das Thema Integration der ersten Spritzbetonlage in den endgültigen Ausbau vielfach thematisiert. Neue Bemessungskonzepte und Ausführungsvarianten mit einer dauerhaften Spritzbetonlage wurden zudem bereits erfolgreich in Projekten umgesetzt. Bild 3 zeigt einen Tunnel aus der Schweiz, Tunnel de Leb, welcher im Frühjahr 2021 fertiggestellt wurde. Zum Einsatz kamen zwei Lagen dauerhafter Spritzbeton (280 mm Erstsicherung, 150 mm gespritzte Innenschale), als Bewehrung PP-Fasern und zur Abdichtung eine Spritzmembran. Durch diese Ausführungsvariante war es möglich, den Betonverbrauch zu minimieren, die damit verbundenen CO2-Emissionen zu verringern und gleichzeitig Zeit und Kosten einzusparen.

3 | Tunnel de Leb (Schweiz, 2021): Spritzbeton als endgültiger Ausbau
Credit/Quelle: Master Builders Solutions

3 | Tunnel de Leb (Schweiz, 2021): Spritzbeton als endgültiger Ausbau
Credit/Quelle: Master Builders Solutions

Ein Beispiel aus England zeigt einen weiteren innovativen Planungsansatz, bei dem dauerhafter Spritzbeton mit Stahlfasern, einer Spritzabdichtung und Ortbeton für die Tunnelseite kombiniert wurden. Ortbeton wurde gewählt, um glatte, gut reflektierende und leicht zu reinigende Seitenflächen zu gewährleisten, siehe Bild 4.

4 | Tunnel Hindhead (England, 2009): Spritz- und Ortbeton als endgültiger Ausbau
Credit/Quelle: Master Builders Solutions

4 | Tunnel Hindhead (England, 2009): Spritz- und Ortbeton als endgültiger Ausbau
Credit/Quelle: Master Builders Solutions

Fehlende Standards, unbegründete Bedenken

Diese Ausführungsvarianten bleiben jedoch im Untertagebau bis heute die Ausnahme. Dies hängt nicht zuletzt mit dem Mangel an Wissen und fehlenden Standards sowie der generellen Unsicherheit der Planenden zusammen. Mit den zuvor erläuterten signifikanten Entwicklungen hinsichtlich der Baustoff- und Ausführungsqualität (geschultes Personal), sind die Bedenken hinsichtlich der Standfestigkeit und Dauerhaftigkeit in den meisten Fällen jedoch unbegründet.

Für oder gegen den Einsatz von Spritzbeton als endgültigen Ausbau sprechen vielmehr ästhetischer Anspruch und Tunnelfunktion, da die wellige Oberflächenstruktur von Spritzbeton sich nicht für jeden Einsatzzweck eignet. In vielen Teilen des Untertagelabyrinths eines Infrastrukturprojektes sind die Anforderungen an die Oberfläche jedoch vernachlässigbar und ein Ausbau mit Spritzbeton sollte vergleichend geprüft werden. Dies betrifft insbesondere Tunnelabschnitte wie z. B. Querschläge, Fluchtwege, Lüftungskavernen und dergleichen.

Wird die CO2-Bilanz eines Tunnelmeters mit dauerhaftem Spritzbeton analysiert, so kann durch den reduzierten Materialeinsatz eine signifikante Verbesserung im Gegensatz zum zweischaligen Ausbau (temporärer und als nicht dauerhaft angesehener Spritzbeton zusammen mit einer dauerhaften Innenschale) festgestellt werden. Dies zeigt auch das Berechnungsbeispiel im nächsten Kapitel.

4 Ökobilanz von Tunnelbauwerken in Spritzbetonbauweise (NÖT)

Nachfolgend werden verschiedene Möglichkeiten inkl. Berechnungsbeispielen zur Reduktion der CO2-Emissionen eines Tunnels in Spritzbetonbauweise dargelegt. Dazu wird ein fiktiver Tunnelquerschnitt mit einem Innendurchmesser von 10 m in mittlerer Geologie betrachtet. Der Tunnel ist mit einer Abschlagslänge von 1,3 m, 15 kg/m Gitterbögen, einer mit zwei Lagen AQ70 bewehrten, 25 cm dicken Spritzbetonschale (C25/30) sowie einer 40 cm dicken unbewehrten Innenschale (C25/30) geplant. Bei dieser vergleichenden Betrachtung wurde der Einfluss von anderen Stützmitteln und Einbauten vernachlässigt, da sie nur einen untergeordneten CO2-Beitrag liefern (Bild 1). Der Beton sonstiger Bauteile, wie z. B. Bankett und Zwischendecke wird vereinfacht über den Mehrbeton des kreisrunden Querschnitts berücksichtigt.

Vergleich der geplanten mit den tatsächlich eingebauten Betonkubaturen

Bedingt durch die baupraktischen und geologischen Randbedingungen liegen die tatsächlichen Betonverbräuche i. d. R. signifikant über denen der theoretischen Bemessung. Im folgenden Beispiel wird sowohl für den Spritzbeton als auch für die Innenschale von einer typischen Überstärke von 15 cm ausgegangen. Hinzu kommen 10 % für den Spritzbetonrückprall und etwaige Restmengen.

5 | Betonkubatur pro Laufmeter Tunnel, Soll-ist Vergleich. Als dauerhaft angesehener Ausbau markiert
Credit/Quelle: Master Builders Solutions/Aldrian

5 | Betonkubatur pro Laufmeter Tunnel, Soll-ist Vergleich. Als dauerhaft angesehener Ausbau markiert
Credit/Quelle: Master Builders Solutions/Aldrian

Bild 5 zeigt die Betonkubaturen, welche pro Laufmeter des fiktiven Tunnelbauwerks verbaut werden. Unter Berücksichtigung der Ausführungen aus Kapitel 3 wird deutlich, dass von ca. 33 m³ eingebautem Beton nur etwa 13 m³ der Innenschale (orangefarben umrandet) als dauerhaft angesehen werden. Bei einem typischen zweischaligen Ausbau werden demnach lediglich 40 % der verbauten Betonmenge (Kubatur Innenschale bezogen auf die gesamte Betonmenge minus Rückprall) und der damit verbundenen CO2-Emissionen für die Bemessung der statischen Tragfähigkeit der Tunnelkonstruktion als wirksam anerkannt.

CO2-Fußabdruck eines Tunnels in zweischaligem Ausbau

Was diese Überdimensionierung für den ökologischen Fußabdruck des Bauwerks bedeutet, wird nachfolgend ermittelt. Den Berechnungen zugrunde liegen typische Rezepturen für den deutschsprachigen Raum, siehe Tabelle 1 + 2.

Tabelle 1 | Spritzbetonzusammensetzung

Tabelle 1 | Spritzbetonzusammensetzung

Tabelle 2 | Rezept Innenschale

Tabelle 2 | Rezept Innenschale

Am Beispiel der oben geschilderten Materialmehraufwendungen zeigt sich, dass aus 4 Tonnen CO2 pro Meter Tunnel (geplanter Spritzbeton inkl. Bewehrung) im Laufe der Ausbauarbeiten tatsächlich 6,7 Tonnen CO2 werden (4 Tonnen geplant plus Überstärke, Rückprall und Restmengen), siehe Bild 6.

6 | CO2e-Fußabdruck in kg der verwendeten Betone pro Laufmeter Tunnel. Als temporär (nicht dauerhaft) angesehener Ausbau ausgekreuzt (berechnet mit OneClick LCA)
Credit/Quelle: Master Builders Solutions/Aldrian

6 | CO2e-Fußabdruck in kg der verwendeten Betone pro Laufmeter Tunnel. Als temporär (nicht dauerhaft) angesehener Ausbau ausgekreuzt (berechnet mit OneClick LCA)
Credit/Quelle: Master Builders Solutions/Aldrian

Die als temporär angesehene Spritzbetonschale trägt maßgebend zur Ökobilanz des Tunnelbauprojektes bei, wird aber seitens der Planung oftmals hinsichtlich der Tragfähigkeit in der Bemessung vernachlässigt. Wird die Überstärke der Innenschale zu den statisch nicht berücksichtigten Betonmengen des Spritzbetons addiert, so ergibt sich in diesem Beispiel eine enorm hohe „statisch nicht wirksame“ CO2-Menge pro Laufmeter Tunnel.

Zur Verdeutlichung der Konsequenz für die Umwelt sind die CO2-Einträge der statisch unberücksichtigten Bauteile und Materialien in Bild 6 ausgekreuzt – sie machen 68 % der Gesamtemissionen aus. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass lediglich 32 % der durch den Beton verursachten CO2-Emissionen für den dauerhaften Ausbau notwendig sind. Dies kann als klare Handlungsanweisung an die Eigentümer und Planer interpretiert werden.

CO2-Einsparpotential durch Optimierung der Betonrezeptur

CO2-Einsparungen können zusätzlich über die Rezeptur erzielt werden. Die Anforderungen an solche optimierten Betone sollten jedoch planungsseitig vertraglich festgehalten werden, was zusätzlich den Wettbewerb und die Innovationskraft der Industrie fördert. Nachfolgend werden zwei typische Spritzbetonrezepturen aus Österreich verglichen. Eine Standardrezeptur (Tabelle 1) mit 420 kg CEMII/A pro m³ Beton und eine moderne Rezeptur mit reduziertem Versinterungspotential, (reduziert die Auslaugungen durch Wasserzutritt aus dem Beton während der Nutzphase des Bauwerkes und reduziert damit den Reinigungsaufwand für Tunneldrainagen) die u. a. aus 280 kg Zement (CEM I 52.5) und 140 kg AHWZ (aufbereitete hydraulisch wirksame Zusatzstoffe) nach ÖNORM B 3309 besteht. Die restlichen Betonbestandteile sind identisch und Tabelle 1 zu entnehmen. Die österreichischen AHWZ mit einer vorgeschriebenen Reaktivität und einer typischen Zusammensetzung aus 2/3 Hüttensand und 1/3 Kalksteinmehl verursachen Treibhausgasemissionen von lediglich von 70 kg CO2e/t auf und eignen sich deshalb hervorragend, um den CO2-Fußabdruck von Spritzbeton zu reduzieren.

7 | Vergleich des CO2e-Eintrages zweier Rezepte in kg pro m³ Spritzbeton (berechnet mit OneClick LCA; SCM = supplementary cementitious materials)
Credit/Quelle: Master Builders Solutions/Aldrian

7 | Vergleich des CO2e-Eintrages zweier Rezepte in kg pro m³ Spritzbeton (berechnet mit OneClick LCA; SCM = supplementary cementitious materials)
Credit/Quelle: Master Builders Solutions/Aldrian

Die massive Zement- bzw. Klinkerreduktion führt zu einer 19-prozentigen CO2-Reduktion pro m³ (siehe den Vergleich im Bild 7). Die Spritzbetonrezeptur mit hohem Zusatzstoffanteil ist außerdem optimiert, das Auslaugpotential des Spritzbetons zu reduzieren und bietet damit neben der verbesserten Ökobilanz einen zusätzlichen Vorteil hinsichtlich eines reduzierten Potentials einer Versinterung der Tunneldrainagen.

Stark optimierte Spritzbetonrezepte verlangen mehr Sorgfalt, um einen einwandfreien Einsatz zu gewährleisten. Die Sicherstellung einer gleichbleibend hohen Zementqualität mit möglichst geringen Schwankungen und eine strenge Qualitätssicherung bei der Herstellung der Rezeptur ist maßgebend für den resultierenden Erfolg. Dass der Einsatz CO2-reduzierter Spritzbetone im Großmaßstab möglich ist, zeigt die Praxis in Österreich, wo das „280 kg Zement +140 kg AHWZ “-Rezept die bisher üblichen 420-kg-Zement-Rezepturen fast vollständig verdrängt hat.

5 Fazit und Ausblick

Spritzbeton ist das Stützmittel der Wahl. Es kommt somit unter keinen Umständen in Frage auf ihn zu verzichten, um die CO2-Bilanz zu verbessern. Unter Berücksichtigung der in Kapitel 3 geschilderten Überlegungen, ergeben sich jedoch mehrere Möglichkeiten mit innovativen Designansätzen, den Bedarf an Beton im Querschnitt zu optimieren, ohne Kompromisse bei den Bauwerksanforderungen eingehen zu müssen:

Sicherungsspritzbeton vollständig oder teilweise als dauerhaften Ausbau deklarieren und statisch berücksichtigen
Innenschale gespritzt ausführen, wenn dies geotechnisch, ästhetisch und baubetrieblich möglich ist und nur bautechnische Gründe für eine Mindeststärke einer konventionell erstellten Innenschale sprechen
Innen- und Außenschale bei geeigneten Randbedingungen kraftschlüssig verbinden (einschalig oder auch als Verbundschale mit einer haftenden Spritzabdichtung im Sandwich). 

CO2-Emissionen bei Tunnelbauprojekten: Optimierungspotential von 10–30 % allein beim Beton

Dies sind in der Planung abzuwägende Ausführungsvarianten, die den CO2-Fußabdruck eines in Spritzbetonbauweise erstellten Tunnelbauwerks signifikant reduzieren können. Es ist in jedem Fall individuell zu prüfen, inwiefern Überstärken und höhere Festigkeiten des Spritzbetons statisch berücksichtigt werden können und in welchem Ausmaß eine zusätzliche Innenschale benötigt wird. In Abhängigkeit der statischen Ansätze und verwendeten Betonrezepten wird in der Literatur [7, 9] in Bezug auf Treibhausgasemissionen ein Optimierungspotential zwischen 10 und 30 % als realistisch eingeschätzt.

Analog zum Hochbau ist davon auszugehen, dass der gesellschaftliche und politische Druck hinsichtlich umweltbewusster Bauweisen im Untertagebau sich spürbar verschärfen wird.

Die Weichen für nachhaltigere Bauweisen müssen zur Realisierung des größtmöglichen Effektes so früh wie gestellt werden. Daher fällt Bauherren und Planern eine wachsende Verantwortung zu, sich zunehmend mit alternativen Bemessungs- und Ausführungsvarianten sowie hochwertigen, dauerhaften und CO2-optimierten Baumaterialien auseinanderzusetzen.

Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit sollte für jedes Projekt grundsätzlich ein Vergleich zwischen herkömmlichen Verfahren und ökologisch optimierten Varianten stattfinden – auch wenn zunächst Argumente hinsichtlich ökonomischer Aspekte und normativer Grenzen klar dagegensprechen. Moderne Performance-Ansätze müssen perspektivisch verstärkt Berücksichtigung finden, wenn es um CO2-intensive Bauwerksplanungen geht. So können ökologisch optimierte Betone mit Zementgehalten unter dem Mindestzementwert zielsicher eingesetzt werden.

Nur wenn in der frühen Planungsphase die richtigen Entscheidungen erarbeitet und definiert werden, können Nachhaltigkeitsaspekte über den gesamten Lebenszyklus hinweg realisiert werden. Die integrale Planung, unter Einbezug und Verpflichtung aller Experten und Verantwortlichen, ist maßgebend für den Erfolg eines „grünen“ Projektes. Es ist zudem ratsam, umweltbezogene Aspekte als Kriterien der Vergabe festzusetzen, um die Anforderungen an eine umweltfreundliche Bauweise vertraglich festzuhalten und effektiv umzusetzen.

Kostenloses Online-Seminar am 29.Oktober

Am 29. Oktober 2021 von 10 bis 11.30 Uhr veranstaltet die Master Builders Solutions GmbH ein kostenloses Online-Seminar zum Thema „CO2-Reduktion beim Einsatz von Spritzbeton im Tunnelbau“. Die Referenten sind die Autore dieses Fachbeitrags, Dr. Wolfgang Aldrian und Annika Bantle. Teilnehmer können sich hier online registrieren.

References/Literatur
 
[1] Investigations in the Field of Long-Term Stability of Tunnel Constructions; Lorenz S., Galler R.; ITA-AITES World Tunnel Congress, San Francisco, 2016
stressed-concrete-pdf
[3] Umwelt-Produktdeklaration des InformationsZentrum Beton GmbH für „Beton der
DruckfestigkeitsklasseC30/37“; Institut Bauen und Umwelt e. V. (Hrsg.), 2018
[4] Ökologische Betrachtungen zur Nachhaltigkeit von Tunnelbauwerken der Verkehrsinfrastruktur; Sauer J.; Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt der Technischen Universität München, 2016
[5] Nachhaltigkeitsbericht; Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ); 2010
[6] Support elements in conventional tunneling – Focus on long-term behavior; Galler R., Lorenz S.; Underground Space, Volume 3, Issue 4, pages 277–287, December 2018
[7] Permanent Sprayed Concrete Linings; Aldrian W., Thomas A., Chittenden N., Holter K.G.;
ITA Working Group n°12 and ITAtech AG Lining, Support & Waterproofing, Lausanne 2020
[8] Permanent Sprayed Concrete Linings – an international update; Aldrian W., Thomas A., Holter KG.; Spritzbeton-Tagung Alpbach 2021
[9] Composite tunnel linings, allowing a more cost effective and sustainable tunnel design; Jung H., Clement F., Pillai A., Wilson C., Traldi D.; World Tunnel Congress 2017 Bergen
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