Fortgeschrittene Konzepte für die Vorauserkundung im Tunnelbau
Präsentiert wird das Konzept eines dreistufigen Vorauserkundungsalgorithmus für eine Anwendung im maschinellen Tunnelbau. Das Konzept kombiniert zwei verschiedene Methoden. Die erste Methode ist ein überwachtes maschinelles Lernverfahren, das angesammelte Daten wie Porenwasserdrücke und Setzungen verwendet, um ein erstes Bild des Untergrundes zu erhalten. Anschließend nutzen zwei verschiedene Full-Waveform-Inversionsverfahren seismische Messungen von induzierten seismischen Anregungen, um dieses Bild zu verbessern. Die verschiedenen Stufen des vorgeschlagenen Algorithmus erhöhen dabei die Genauigkeit der Vorhersage.
1 Einleitung
Entlang der Vortriebsachse im maschinellen Tunnelbau treten viele geologische Änderungen auf, welche durch Voruntersuchungen selten detektiert werden. Um diese vorherzusagen, wird die Kombination zweier verschiedene Konzepte der Vorauserkundung im maschinellen Tunnelbau vorgeschlagen (Bild 1).
Zunächst werden Porenwasserdrücke und Setzungen in und über der geplanten Tunnelstrecke aufgenommen, um eine erste Voraussage über Materialänderungen in der geologischen Struktur mithilfe von maschinellem Lernen treffen zu können (siehe Bild 1, links). Anschließend werden seismische Wellen mithilfe von Full-Waveform-Inversionsalgorithmen (FWI) analysiert, um die räumliche Verteilung der elastischen Eigenschaften des Bodens zu identifizieren (siehe Bild 1, rechts)
2 Erster Schritt – Vorauserkundung durch Mustererkennung
In den vergangenen Jahren wurden mit künstlicher Intelligenz vielversprechende Erfolge im Rahmen von wissenschaftlichen und praktischen Fragestellungen erzielt. Um die bestehenden Unsicherheiten geologischer Wechselfolgen im Verlauf eines maschinellen Tunnelvortriebs erfassen zu können, soll die Anwendung von KI-Methoden vorgeschlagen werden.
Im Rahmen der Untersuchungen werden geologische Unregelmäßigkeiten auf Grundlage von gemessenen Veränderungen der Oberflächensetzung und des Porenwasserüberdruckes im Nahfeld der Tunnelvortriebsmaschine ermittelt. Im verwendeten Konzept des überwachten Lernens (supervised learning) werden mögliche geologische Szenarien als verschiedene Klassen behandelt und die gemessenen Bodenreaktionen als erlernbare Merkmale (learning features) genutzt. Im Anschluss werden verschiedene Methoden des überwachten Lernens untersucht, um eine genaue Bestimmung des Bodenprofils im weiteren Verlauf des Tunnelvortriebs zu erzielen (siehe Bild 2). Die Untersuchung verschiedener Monitoringprogramme im Rahmen einer statistischen Versuchsplanung (optimal experimental design) [1] kann die Genauigkeit der vorgeschlagenen Methode verbessern und zuverlässigere Ergebnisse liefern. Die erzielte Abschätzung der Schichtenfolge wird anschließend als Grundlagenmodell der Full-Waveform-Inversion verwendet.
3 Verbesserung der Vorauserkundung durch Full-Waveform-Inversion
In dem vorgeschlagenen Konzept werden zwei verschiedene Methoden verwendet, um die seismischen Wellen zu invertieren. FWI-Verfahren sind iterative Algorithmen, die darauf abzielen, die Differenz zwischen den gemessenen seismischen Aufzeichnungen und den simulierten Aufzeichnungen eines parametrisierten Bodenmodells zu verringern, um ein realistisches Bodenmodell zu generieren (vgl. Bild 3). Jede Vorabinformation des Machine-Learning-Algorithmus verbessert den Inversionsprozess, da sie ein verbessertes Startmodell oder eine besser geeignete Parametrisierung des Bodenmodells ermöglicht.
In einem ersten Schritt wird Unscented Hybrid Simulated Annealing (UHSA) [2] verwendet, welches das Unscented Kalman-Filter mit dem metaheuristischen Approximationsverfahren „Simulated Annealing“ (Simulierte Abkühlung) kombiniert. Der resultierende Algorithmus ist ein nicht-deterministischer und gradientenfreier globaler Optimierungsalgorithmus, welcher die Parameter, die die geologische Störung beschreiben, effektiv und präzise invertieren kann. Mithilfe der Ergebnisse der Mustererkennung aus dem maschinellen Lernverfahren wird eine Parametrisierung der Geometrie der Störung implementiert, die nur wenige Parameter benötigt. Wenn die ausgewählte Parametrisierung die Eigenschaften der Störung hinreichend beschreiben kann, sind die Inversionsergebnisse hochpräzise.
Für den Fall, dass die Parametrisierung für die UHSA nicht alle relevanten Charakteristika darstellen kann, ermöglicht die adjungierte Methode eine weitere Verbesserung des Bodenmodells. Hierbei wird das finale Modell der UHSA-Methode als Startmodell genutzt. Im Vorfeld müssen keine weiteren Annahmen getroffen werden, da alle Materialeigenschaften über das gesamte Modell parametrisiert sind. Zwei verschiedene Ansätze der adjungierten Methode werden dazu in Betracht gezogen: Einerseits kann ein nodales, diskontinuierliches Galerkin-Finite-Elemente-Verfahren mit Tetraeder-Elementen verwendet werden, welches synthetische Wellenformen im Zeitbereich berechnet [3]. Andererseits kann ein Finite-Elemente-Verfahren verwendet werden, welches hierarchische Ansatzfunktionen nutzt und die elastische Wellengleichung im Frequenzbereich löst [4]. Auf diese Weise wird das rekonstruierte Bild des Bodens verbessert und kleinere Inhomogenitäten können identifiziert werden.
4 Zusammenfassung
Wir schlagen einen dreistufigen Algorithmus zur Vorauserkundung im maschinellen Tunnelbau vor. Dieser Algorithmus rekonstruiert zu Beginn ein grobes Abbild potentieller Hindernisse und verfeinert dieses in höheren Stufen. Der benötigte Rechenaufwand wächst dabei mit jeder verwendeten Stufe, sodass der Algorithmus gestoppt werden kann, sobald die benötigte Auflösung erreicht wurde. Ein weiterer Vorteil ist die Kombination von Informationen zweier unabhängiger physikalischer Konzepte: Setzungen und Änderungen der Porenwasserdrücke, ausgelöst durch das Auffahren des Tunnels selbst und seismische Wellenausbreitung im Boden des geplanten Tunnelpfades.
identification in mechanized tunneling. Underground Space, 3 (1), 2018, pp. 34-44. DOI: 10.1016/j.undsp.2018.01.004
detection using seismic signals. Mechanical Systems and Signal Processing, 133, 2019, 106250. DOI: 10.1016/j.ymssp.2019.106250
International Journal of Civil Engineering, 17, 2019, pp. 19-32. DOI: 10.1007/s40999-018-0319-7