Österreich

Stauchelement mit Widerstandsverstärkung

Anlässlich des Österreichischen Tunneltages in Salzburg/A (siehe Bericht in einer der nächsten tunnel-Ausgaben) erhielt die Porr Tunnelbau GmbH Anfang Oktober 2008 einen von 3 Innovationspreisen für den erstmaligen Einsatz des Stauchelementes Wabe mit Widerstandsverstärkung. Dieser Preis wird für Innovationen von baupraktischer Bedeutung vergeben. Am folgenden Beispiel des Tauerntunnels wird der Einsatz dieser Neuentwicklung beschrieben.

Der Tauerntunnel ist Teil der Tauernautobahn von Salzburg nach Villach/A (Bild 1). Die erste Röhre des ca. 6,4km langen Tunnels wurde 1971 begonnen und 1975 fertig gestellt (Bild 2, 3). Er zählt zu den meistbefahrenen Straßentunneln in Österreich. Die zweite Röhre für den Tauerntunnel befindet sich seit Juli 2006, mehr als 30 Jahre nach der ersten, im Bau. Die erste Sprengung erfolgte am 15. September 2006; am 8. Juli 2008, nach 22 Monaten Vortrieb, erfolgte der Durchstich der zweiten Röhre. Die Verkehrsfreigabe der 2. Röhre ist für Juni/Juli 2010 vorgesehen. Der Tauerntunnel durchörtert mit Ausnahme einer ca. 400m langen Hangschuttstrecke im Norden ausschließlich meist phyllitische Gesteine. Die Schieferungsflächen fallen nach Norden bis Nordwesten ein. Aus den Erfahrungen beim Auffahren der ersten Tunnelröhre war das druckhafte Gebirgsverhalten im Tauerntunnel bekannt. In der Planung wurden, um die erwarteten, länger andauernden Verformungen schadlos aufnehmen zu können, Stauchelemente vorgesehen.

Zweck der Stauchelemente
Ein wesentliches Konstruktionselement der NÖT ist es, das Gebirge zum Mittragen heranzuziehen. Durch die Entspannung am Hohlraum kommt es zu einer Umlagerung der Gebirgsspannungen – es bildet sich der „Gebirgstragring“ aus. Abhängig von den Gebirgseigenschaften und vom Primärspannungsniveau können dabei erhebliche Verformungen auftreten, die zum Teil über Monate andauern können. Der Ausbau mit Spritzbeton kann größere Verformungen des Gebirges nicht ohne Weiteres schadlos aufnehmen. Bei größeren Verformungserscheinungen kommt es zu Abplatzungen und in weiterer Folge zur Zerstörung der Spritzbetonschale.
Die Stauchelemente dienen als Gebirgsstützelemente, die den ringförmigen Spritzbetonausbau in Segmente unterteilen und den überwiegenden Anteil der Verformungen aufnehmen können.
Die Arbeitslinie der Stauchelemente liegt dabei im Idealfall knapp unter der Arbeitslinie des jungen Spritzbetons. Da die Verformungsgeschwindigkeit nicht exakt vorausberechnet werden kann, ist es oft schwierig, im Vorhinein die optimale Arbeitslinie der Stauchelemente festzulegen. Systeme, die eine präzise Definition der  Arbeitslinie erlauben, sind in diesem Punkt flexibler einsetzbar (Bild 4).
Arten von Stauchelementen, Entwicklungen und Erfahrungen Verformungsschlitze Ursprünglich wurden in der Spritzbetonschale Deformationsschlitze ausgespart, die Bewegungen zuließen und nach Abschluss der Verformungen zugespritzt wurden. In Kombination mit einer starken Ankerung wurden z.B. beim Inntaltunnel gute Erfahrungen mit diesem System gemacht. Durch die offenen Schlitze kam es häufig zu Nachbrüchen des Gebirges und zu Abbrüchen des Spritzbetons.
Stauchelemente aus Stahl Aus Sicherheitsgründen und um die Spritzbetonschale frühzeitig als Ausbauelement nutzen zu können, wurden Stauchelemente aus Stahl oder aus deformierbaren Materialien (Porenbeton o.ä.) eingesetzt. In Österreich werden 2 verschiedene Systeme verwendet.
LSCElemente werden in Typ, Anzahl und Länge an das Verformungsverhalten der Gebirgskonvergenzen angepasst. Dies geschieht üblicherweise bereits in der Planungsphase. Eine Anpassung an das tatsächliche Verformungsverhalten vor Ort ist bei diesem System schwer möglich.
Das Stauchelement, genannt Wabe, der Bochumer Eisenhütte Heintzmann GmbH & Co. KG ist zwischen lastverteilenden Platten angeordnet. Es besteht aus flach liegenden Rohrstücken in bedarfsgerechter Rohrwanddicke und Rohrdurchmesser (Bild 5).
Das System Wabe erlaubt die Kraftaufnahme sowohl in tangentialer (Normalkraft) als auch in radialer Richtung (Querkraft) sowie in axialer Richtung (Längskraft in Vortriebsrichtung). Die gewählte LastWegCharakteristik ist abhängig von der Auswahl der verwendeten Rohre, d.h. sie ist steuerbar über die Rohrdimensionierung (Rohrdurchmesser, Rohrwanddicke, Rohrstücklänge sowie die Wahl des Materials und der Stahlqualität). Durch die Wahl unterschiedlicher Rohrkombinationen lassen sich beliebige LastWegKurven (von flach anlaufend bis steil ansteigend) erstellen (Bild 6).
Die Bauart des Stauchelementes lässt es zu, während der Gebirgsverformungen die Lastaufnahme den individuellen Gebirgsverhältnissen anzupassen. Dies geschieht, indem man in die vorhandenen Rohre weitere Rohrstücke einschiebt (Bild 7). Die temporäre Aushärtung des Spritzbetons wird durch das Verformungsvermögen des Stauchelementes (Verformung der Rohrabschnitte) unterstützt und verhindert so weitestgehend Brüche in der Spritzbetonschale.
Durch die Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten hinsichtlich der Anzahl der Rohrlagen, der Durchmesser und der Wanddicken der einzelnen Rohre sowie deren Anzahl je Schichtlage ist ein Höchstmaß an Flexibilität und Anpassungsvermögen an das Gebirgsverhalten gegeben. Hierbei steigt die Normalkraft in der Spritzbetonschale stufenlos, d.h. gleichmäßig, an. Die Arbeitslinie hat einen kontinuierlichen Verlauf. Die liegende Anordnung der Rohre und deren Verschweißungen mit den Lastübertragungslatten bieten eine erhöhte Quersteifigkeit und somit eine bessere Querkraftübertragung im Verformungsschlitz der Spritzbetonschale. Durch die geeignete Wahl der Rohrtypen und der Lagenzahlkombination kann je Stauchelement ein mehr oder weniger beliebig höherer Verformungsweg erreicht werden.

Erfahrungen beim Einsatz am Tauerntunnel
Beim Einsatz am Tauerntunnel hat sich das überwiegend eingesetzte System Wabe bewährt. Aus vertraglichen Gründen (Gleichwertigkeit zum ausgeschriebenen System LSC) mussten die räumlichen Abmessungen sowie das Lastaufnahmevermögen angepasst werden. Die Anpassung der Steifigkeit durch Einschub zusätzlicher Rohre war einfach durchführbar und sehr wirksam.

Entwicklungsmöglichkeiten
Durch die Entwicklung des flexiblen Elementes sind weitere Einsatzgebiete denkbar. Beispielsweise könnte das System als nachgiebige Lastverteilerschiene eingesetzt werden. Besonders in leicht druckhaftem Gebirge kann dieses System eine Verbesserung zum Anschluss der Strosse bzw. zur Sohle bewirken, wenn der Ringschluss aus statischen Gründen rasch eingebaut werden muss und die Verformungen bei gleichzeitig hohem Spannungsniveau lange andauern.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 07/2010 Österreich

Tauerntunnel mit zweiter Röhre

Die zweite Röhre für den Tauerntunnel der Autobahn A10 ist 6400 m lang und wurde innerhalb von 22 Monaten bergmännisch vorgetrieben. Nach weniger als 4 Jahren Bau-zeit konnte sie am 30. April 2010...

mehr
Ausgabe 01/2009 Fachtagungen

Österreichischer Tunneltag 2008

Auf großes Interesse stieß der Österreichische Tunneltag 2008 mit über 1000 Teilnehmern – davon viele aus dem Ausland –, zu dem das Österreichische Nationalkomitee der International Tunnelling...

mehr
Ausgabe 08/2011 Österreich

Bosrucktunnel: 2. Röhre durchschlagen

Nach nur 17 Monaten nach Baubeginn fand am 11. August 2011 der Durchschlag der zweiten Röhre des 5,5 km langen Bosrucktunnels für zwei Fahrspuren statt – und das 2,5 Monate eher trotz schwieriger...

mehr
Ausgabe 04/2010 Österreich

Zweite Röhre für Bosrucktunnel

Als Betreiber der Autobahn in Österreich hatte die Asfinag für den 5,5 km langen, jetzt zweispurigen Bosrucktunnel mit Gegenverkehr den Bau einer 2. Tunnelröhre mit 5 Pan­nenbuchten und 11...

mehr
Ausgabe 07/2011 Österreich

Inbetriebnahme des zweiröhrigen Tauerntunnels

Der 6,4 km lange Tauerntunnel (1971/1975) der Autobahn A10 erhielt nach dem Unfall im Jahr 1999 eine zweite Röhre (2006/2010) bei gleichzeitiger Sanierung der Bestandsröhre. Dabei konnte sowohl die...

mehr