Südumfahrung Küssnacht – Sicherung für innerstädtischen, seichtliegenden Lockergesteinsvortrieb

Im Herbst 2017 musste der Tunnelvortrieb der Umfahrung des Ortszentrums von Küssnacht (Schweiz) eingestellt werden, da starker Schlammzutritt sowie ein Tagbruch die Arbeiten behinderten. Intensive Ursachenforschung, eine Neubewertung des bestehenden Sicherungskonzepts sowie ein durch Projektverfasser und ausführenden Tunnelbauunternehmer ausgearbeitetes Konzept zur sicheren Unterfahrung von Küssnacht ermöglichten schließlich im Februar 2018 die Wiederaufnahme der Vortriebsarbeiten. Als vorauseilende Bauhilfsmaßnahmen wurden, zusätzlich zum ursprünglich geplanten Rohrschirm, preventergeschützte Injektions- und Drainagebohrungen sowie ein horizontaler DSV-Dichtungsschirm angeordnet. Die ausgezeichnete Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten schaffte die wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Durchschlag am 29. Mai 2019.

1 Einleitung

Bis September 2020 wird der erste Abschnitt einer Südumfahrung erstellt, die den historischen Dorfkern von Küssnacht am Rigi im Kanton Schwyz vom Verkehr entlasten soll. Das Projekt wird durch den Kanton Schwyz und den Bezirk Küssnacht gemeinsam finanziert. Bauherr ist der Kanton Schwyz, vertreten durch das Tiefbauamt. Die Gesamtkosten für den Abschnitt 1 (inkl. Landerwerb) betragen rund 126 Millionen Franken (rund 120 Millionen Euro). Kern der Umfahrung ist der Tunnel Burg, welcher mit geringer Überdeckung im Lockergestein die bestehende Bebauung unterquert. Im Vortrieb wurden unerwartete Baugrundeigenschaften angetroffen, die eine Anpassung der Bauhilfsmaßnahmen erforderlich machten.

2 Projektbeschreibung
2.1 Linienführung

Die Südumfahrung Küssnacht beginnt nördlich des Dorfkerns beim Knoten Chli Ebnet (Bild 1, links unten) und unterquert in einem weit geschwungenen Einschnitt die bestehende Hauptstraße. Rund 120 m ab dem Knoten Nord beginnt der Tunnel Burg mit einer Gesamtlänge von 500 m, wovon ca. 150 m in offener Bauweise erstellt werden.
Der Tunnel wird mit zwei Fahrspuren im Gegenverkehr ausgebildet. Im Längenprofil (Bild 2) weist er einen Tiefpunkt auf, der von beiden Portalen her mit Rampen von 5 % Gefälle erreicht wird. Der Tunnel liegt zu großen Teilen unter dem Grundwasserspiegel und wird mit einer druckhaltenden Vollabdichtung ausgeführt. Bild 3 zeigt das das Normalprofil des Tunnels Burg.

2.2 Geologie und Hydrologie

Der bergmännische Tunnelabschnitt verläuft fast ausschließlich in glazial vorbelasteten geologischen Einheiten, die als Seeablagerungen und Schotterkomplex bezeichnet werden.
Bei den Seeablagerungen handelt es sich zumeist um einen mageren Ton, der aufgrund der Vorbelastung durch Gletscher eine steife bis halbfeste Konsistenz aufweist. In den Seeablagerungen sind schichtweise Einlagerungen von schluffigen Sanden vorhanden, die sehr dicht gelagert sind. Die Seeablagerungen weisen eine hohe Festigkeit und eine sehr geringe Durchlässigkeit auf.
Im südlichen Abschnitt, wurden über dem Tunnel Schwemmsedimente prognostiziert (schluffige, teils organische Verlandungssedimente mit sehr geringer Lagerungsdichte; siehe Bild 2), die den Vortrieb nicht tangieren sollten. Diese Prognose musste im Rahmen der Ausführung trotz der hohen Dichte an Erkundungsbohrungen revidiert werden. Die Lage der etwa 18 Bohrungen im Bereich des bergmännischen Tunnels wurde dabei maßgeblich von der Zugänglichkeit an der bebauten Oberfläche bestimmt.
Der ebenfalls glazial vorbelastete Schotterkomplex besteht aus Wechsellagerungen von sandig-kiesigen und sandigen Schichten mit Mächtigkeiten im Dezimeter- bis Meterbereich. Die Lagerungsdichte ist auch hier sehr hoch. Die an der Oberfläche in einer Steilböschung aufgeschlossenen Schichten wiesen eine scheinbare Verkittung auf.

2.3 Tunnel Burg: Bauprojekt und
Ausschreibung

Der bergmännische Tunnel Burg unterquert direkt zu Beginn des Vortriebs ab dem Voreinschnitt Nord die Seebodenstraße, den eingedolten Dorfbach und diverse angrenzende Gebäude. Die Überdeckung beträgt dabei minimal ca. 4–5 m, zur Sohle des Bachs ca. 1,5 m. Die maximale Überdeckung beträgt rund 17 m. Nahezu auf der gesamten Strecke des bergmännischen Vortriebs ist an der Oberfläche eine Bebauung mit Wohngebäuden vorhanden.
Der Tunnel liegt in den undurchlässigen und als Stauer wirkenden Seeablagerungen unter dem Wasserspiegel, der Ton ist wassergesättigt. Im Bereich des Schotterkomplexes liegt der Wasserspiegel in der unteren Hälfte des Profils und wurde in der Bauphase über vier Filterbrunnen abgesenkt.
Im Zuge der Ausführungsplanung wurden als wichtigste Gefährdungsbilder Setzungen an der Geländeoberfläche sowie Verbrüche am Ausbruchrand und in der Brust beziehungsweise Tagbruch behandelt. Ihnen wurde mit der Wahl des Vortriebskonzepts mit einem Vollausbruch mit raschem Ringschluss und systematischen Bauhilfsmaßnahmen begegnet. Die Ringschlussdistanz der Ausbruchsicherung wurde mit maximal 6 m festgelegt. Der Ausbruch erfolgte im Schutz eines Rohrschirms (Bild 4).
Eine systematische Ortsbrustankerung diente zur Sicherstellung der Stabilität sowie zur Reduktion der vorlaufenden Setzungsmulde. Zur vorgängigen Drainage von eventuell vorhandenen wassergesättigten sandigen Linsen in den Seeablagerungen wurde eine systematische Vorausdrainage (Filterrohre aus PVC-U, Schlitzweite 0,6 mm) vorgesehen.
Der Rohrschirm wurde alle 12 m versetzt; der Achsabstand der Rohre betrug zwischen 30 und 35 cm zu Beginn der Etappe, die Überlappung der Rohre in Längsrichtung 3 m. Die Brustanker wurden mit einer Länge von 20 m, die Drainagen mit einer Länge von 18 m ausgeführt. Der Aushub schritt in Abschlagslängen von 1,2 m voran, die Sicherung erfolgte mit netzbewehrtem Spritzbeton und Gitterträgern (3G-150/20/30).
Eine systematische Überwachung der Verformungen im Tunnel, im Gebirge und an der Oberfläche war Bestandteil des Konzepts. Im Firstrohr des Rohrschirms wurde die Durchbiegung mittels einer Inklinometer-Messkette in Echtzeit überwacht. Zusätzlich wurden im Tunnel Verformungen der Ausbruchsicherung (mittels Tachymeter) und Verformungen vor der Brust (RH-Extensometer) überwacht. An der Oberfläche erfolgte eine Überwachung des Geländes und der Gebäude mittels automatisierter Tachymeter, Schlauchwaagen und händischer Nivellements. Zusätzlich wurden die Verformungen im Baugrund mittels kombinierter Inklino- und Extensometer in Bohrlöchern über und neben dem Tunnel überwacht.

3 Ausführung
3.1 Voruntersuchungen

Noch vor Vortriebsstart wurden in der Baugrube des Tagbautunnels Voruntersuchungen zur Eignung der Ortsbrustanker und zum Injizieren der Rohrschirme im Seeton durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass der Verbund zwischen Ankermörtel und Seeton eine nur relativ geringe Kraftübertragung in der Größenordnung von 50 kN/m zuließ. Desweiteren zeigte sich, dass der Seeton praktisch nicht injizierbar war.

3.2 Vortriebsstart Nord

Im September 2016 erfolgte der Tunnelanschlag am Nordportal. Der Start-Rohrschirm sowie die Ortsbrustanker waren zu diesem Zeitpunkt bereits von der überschnittenen Bohrpfahlwand aus hergestellt. Ab dem darauffolgenden Tag begann der Nordvortrieb. Der Ausbruch erfolgte mittels Tunnelbagger, die Ausbruchlaibung wurde nach jedem Abschlag mit netzbewehrtem Spritzbeton gesichert. Das Vortriebskonzept bewährte sich. Das anstehende Gebirge bestand weitgehend aus Seeton in steifer bis halbfester Konsistenz, welcher sich gut mit dem Tunnelbagger lösen ließ. Durch die hohe Kohäsion des Materials konnte ein vollflächiger Kalottenausbruch geometrisch exakt durchgeführt werden. Nach etwas Einarbeitungszeit erreichte man den Rhythmus: Eine Woche Ausbruch mit Sicherung und eine Woche Rohrschirm und Ortsbrustanker für die Folgeetappe.

3.3 Regelvortrieb Nord

Das Konzept sah vor, den kompletten Tunnel von Nord nach Süd aufzufahren. Nur eine Gegenvortriebsetappe vom Südportal aus war geplant, um die anspruchsvolle Durchdringung der schräg zur Achse verlaufenden Steilwandsicherung vorab zu erstellen und den Durchschlagpunkt somit in den Berg zu verlegen. Die Arbeiten im Vortrieb Nord verliefen planmäßig. Die Verformungen an der Oberfläche lagen jedoch bei 4–5 cm und entsprachen damit den Berechnungen für ungünstig angenommene Baugrundkennwerte. Dank der vollautomatisierten Überwachung konnten die Ursachen und Zusammenhänge rasch erkannt werden. Es zeigte sich, dass der Baugrund sich beim Vortrieb sehr weich verhielt. Um Schäden an der bestehenden Bebauung an der Oberfläche zu verhindern bzw. zu minimieren, wurde eine Reduzierung der Ringschlussdistanz und eine Drosselung der Vortriebsleistung angeordnet. Dadurch konnte die Steifigkeitsentwicklung des zum Ring geschlossenen Spritzbetons abgewartet, und die Setzungen konnten somit minimiert werden. Parallel dazu wurde im südlichen Gegenvortrieb der Rohrschirm und die Luftbogenstrecke hergestellt sowie die zugehörige Etappe ausgebrochen und gesichert.

3.4 Einstellung Nordvortrieb und
Wiederaufnahme Gegenvortrieb

Ende Juni 2017 bemerkte man im Zuge der Ortsbrustankerbohrungen in Etappe 15 leichte Wasser- und Schlammzutritte. Auf den letzten Metern einer 20 m langen Bohrung traf man wasserführende Schichten an. Diese Wasserzutritte konnte man durch Setzen eines Packers und anschließendes Verpressen mit Zement stoppen. Der zugehörige Vortrieb in Etappe 15 erfolgte mit erhöhter Vorsicht. Leichte Wasserzutritte waren bereits beim Öffnen des ersten Abschlags zu verzeichnen. Während des Ausbruchs des 2. Kalottenabschlags wurde aufgrund starker Wasserzutritte zwischen den Rohrschirmrohren der nachfolgende Ausbruch gestoppt und am 12. Juli 2017 der Nordvortrieb eingestellt.
Noch während die Maßnahmen für die Fortführung des Nordvortriebs abgeklärt wurden, wurde entschieden, die Stillstandszeit produktiv zu nutzen und auf der Nordseite mit den Innenschalenarbeiten zu beginnen. Auf der Südseite wurde darüber hinaus der planmäßig bereits abgeschlossene Gegenvortrieb fortgesetzt.

3.5 Einstellung Gegenvortrieb

Bereits beim ersten Abschlag in Etappe 28 bemerkte man, dass der Schotter durch das enggestufte Körnungsband eine zunehmende Rieselneigung zeigte. Aus Gründen der Arbeitssicherheit wurde der Ausbruch der Kalotte auf mehrere Teilflächen umgestellt; zur Verstärkung der Ortsbrust kamen nun auch Ankerplatten und Bewehrungsnetze zum Einsatz.
Beim Ausbruch des zweitletzten Abschlags in der Gegenvortriebsetappe 28 ereignete sich schließlich am 20. September 2017 ein Verbruch durch die Rohrschirmrohre (Sanduhreffekt, Bild 5). Der Verbruch von kohäsionslosem Material setzte sich etwa 30 Minuten fort und führte zu einem Tagbruch bei 17 m Überdeckung. Der Verbruchtrichter wies ein Volumen von geschätzt 350 m³ auf und erreichte an der Oberfläche einen Durchmesser von 5 m (Bild 6). Die Ortsbrust und die Ausbruchsicherung blieben stabil, womit das Ereignis eingeschränkt war und an der Oberfläche keine Schäden an Bauwerken entstanden.
Der Verbruchtrichter wurde umgehend gesichert, von oben verfüllt und anschließend injiziert. Damit war auch der Südvortrieb bis zur Entscheidung der weiteren Vorgehensweise eingestellt.

3.6 Suche nach Lösungen

Für alle Projektbeteiligten war offensichtlich, dass der Vortrieb ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen nicht wiederaufgenommen werden konnte. An das neue Vortriebskonzept wurden folgende Anforderungen gestellt:
Ein Ausrieseln bzw. Ausfließen des Materials zwischen den Rohrschirmrohren hindurch muss verhindert werden
Das Vortriebskonzept soll einheitlich sowohl für den Haupt- als auch für den Gegenvortrieb anwendbar sein.
In das bestehende statische Konzept soll kein Eingriff entstehen. Es sollen lediglich ergänzende Maßnahmen angeordnet werden (z.B. Injektionen oder DSV-Säulen).
In der Abklärung möglicher Konzepte wurden unter anderem ein Gefrierverfahren sowie Injektionen zur Verfestigung des Gebirges verworfen. Planer, Bauherr und Unternehmer wurden sich schnell einig, dass Horizontal-DSV-Säulen (Düsenstrahlverfahren) am besten zur Abdichtung über und zwischen den Rohrschirmrohren geeignet wären. Da den DSV-Säulen lediglich eine abdichtende und keine statische Gewölbefunktion zugewiesen wurde, konnte auf das nur schwierig auszuführende Vermörteln des Seetons verzichtet werden. Die Züblin Spezialtiefbau Ges.m.b.H. wurde als Subunternehmer der ARGE Tunnel Burg mit Ausführung des DSV beauftragt.

4 Sanierung und Anpassung der
Bauhilfsmaßnahmen
4.1 Zusätzliche Erkundung

Im Zuge der Abklärungen auf der Nordseite sowie auf der Südseite wurde die Ausführung neuer Erkundungen sowie die Erstellung eines ergänzenden geologisch-geotechnischen Berichtes beauftragt, um die Ursachen für die unkontrollierten Wasserzutritte zu ergründen.
Die ergänzenden geotechnischen Untersuchungen ergaben, dass im Abschnitt der Vortriebsetappen Nr. 15 bis 17 über dem Projekt eine Mulde mit Grundwasser führendem Bachschutt aus Kies und Sand verläuft, die bisher mangels entsprechender Sondierungsaufschlüsse nicht bekannt gewesen war. Diese Mulde ist in Bild 7 dunkelgrün markiert.
Die vorbelasteten Seeablagerungen (gelb) enthalten zusätzlich kohäsionslose Zonen aus Schluff und Feinsand (gelb-weiß schraffiert), welche eine Wasserwegigkeit aufweisen. Solche kohäsionslosen Zonen waren zwar bisher bekannt, jedoch erwiesen sich diese im Abschnitt der Vortriebsetappen Nr. 15 bis etwa 19 – und damit auch unmittelbar unterhalb der Mulde – mit bis zu rund 4 m als außergewöhnlich mächtig. Im Bereich der Bohrungen befanden sich die kohäsionslosen Zonen infolge der Schlammaustritte teilweise in flüssigem Zustand.

4.2 Anpassung Vortrieb

Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus den ergänzenden geologisch-geotechnischen Untersuchungen wurde am Nordvortrieb eine Grundwasserabsenkung durch den Einsatz mehrerer Filterbrunnen an der Oberfläche vorgenommen.
Im Tunnel wurden vorauseilende Drainagebohrungen und im Bereich des vermuteten Ursprungs der Schlammzutritte zusätzlich Injektionen angeordnet. Entlang der Ausbruchlaibung wurden Horizontal-DSV-Säulen vorgesehen (Bild 8), um die Bereiche
zwischen den Rohrschirmrohren zu verfestigen und so ein Eintreten von Schlamm bzw. kohäsionslosem Boden zu verhindern. Teilweise wurden auch Horizontal-DSV-Säulen innerhalb der Ortsbrust angeordnet, da es selbst beim Vortrieb im Schutze des DSV-Schirms immer wieder zu kleineren Ausbrüchen und lokalen Instabilitäten im Bereich der Ortsbrust kam.

5 Technische Ausführung der
zusätzlichen Bauhilfsmaßnahmen
5.1 Injektions- und Drainagebohrungen

Zur Stabilisierung und zur Auffüllung entstandener Bodenverluste durch Schlammzutritte in Vortriebsetappe 15 (Nordvortrieb) sowie zur Stabilisierung des Verbruchtrichters im Südvortrieb wurden im Firstbereich dem Vortrieb vorauseilend 20 m lange verrohrte Injektionsbohrungen ausgeführt. Durch den Einbau von Manschettenrohren konnten diese Bereiche gezielt mit Niederdruckinjektionen behandelt werden.
Als weitere Maßnahme wurde bei den Vortriebsetappen in den Seeablagerungen der anstehende Wasserdruck über der Tunnelfirste mit fächerartigen Drainagebohrungen kontrolliert und ggf. reduziert. Um dem zu erwartenden Wasserandrang beim Bohrvorgang entgegenzuwirken, kamen entsprechende Schutzvorrichtungen zur Anwendung, wie ein geschlossenen Bohrsystem mit Standrohr, Preventer, Absperrschieber und einer ausklinkbaren Bohrkrone, welche die Verrohrung im Bohrlochtiefsten abdichtet. Dadurch wurden während des Bohrvorganges unkontrollierte Wasserzutritte in den Tunnel verhindert.

5.2 Horizontal-DSV

Die Hauptarbeit der ergänzenden Vortriebssicherung bildete die etappenweise Herstellung des horizontalen DSV-Schirms in den Zwischenräumen der Rohrschirmrohre. Dadurch wurden die systembedingten Längsöffnungen zwischen benachbarten Rohrschirmrohren zusätzlich abgedichtet. Die bis zu 17 m langen horizontalen DSV-Säulen wurden mit einem zweiarmigen Bohrgerät und einer 28 m langen Lafette im Einphasensystem ausgeführt. Die Parameter wurden zunächst auf Basis von Erfahrungswerten in ähnlichen Böden gewählt. Im Rahmen der ersten Vortriebsetappen wurden Probesäulen innerhalb des Ausbruchsprofils mit verschiedenen Parametern zur Verifikation erstellt (Bild 9). Es zeigte sich, dass in tonigen Seeablagerungen Durchmesser von 30–50 cm realisiert werden konnten. Dabei wurden in erster Linie sandigere Bereiche vermörtelt; kompakter Seeton blieb teilweise unvermörtelt. Im Schotterkomplex waren die ausgeführten DSV-Säulen erwartungsgemäß homogener. In Bild 10 ist der Ablauf der Herstellung einer Horizontal-DSV-Säule in drei Schritten dargestellt.
Während der DSV-Arbeiten wurde die gesamte darüberliegende Bebauung durch Messketten (Neigungsinklinometer) in Echtzeit überwacht. Vor allem in seichten Tunnellagen führten die Düsenstrahlarbeiten, abhängig von der jeweils anstehender Geologie, zu messbaren lokalen Verformungen – zumeist Hebungen – in einer Größenordnung von 5–10 mm.

5.3 Gerätetechnik

Durch den Einsatz des Horizontalbohrgerätes mit einer Lafettenlänge von rund 28 m (die Lafette wurde für das Bauvorhaben
entsprechend verlängert) konnten alle Bohrungen –
Horizontal-DSV, Drainagebohrungen, Injektionsbohrungen sowie Ortsbrustankerbohrungen – in einem Stück ohne Aufsetzen von Bohrgestänge erfolgen (Bild 11).
Zur Optimierung der Gesamtbauzeit wurden die Arbeiten gleichzeitig von Norden und Süden her vorangetrieben. So wurden im Wechsel auf einer Seite Vortriebsarbeiten und auf der anderen Seite parallel die DSV-Arbeiten ausgeführt. Die Geräte wurden hierzu nach jeder Etappe umgesetzt (Bild 12), die erforderlichen Anlagen (Hochdruckpumpen, Misch- und Bevorratungstechnik etc.) jedoch auf beiden Seiten vor den Portalen installiert.

6 Erfahrungen aus dem Vortrieb
und Fazit

Dieses spezielle Bauvorhaben in glazialer Geologie hat gezeigt, dass komplexe geologische Situationen eine sehr hohe Spezialisierung an Sicherungsverfahren hinsichtlich Art und Umfang erfordern. Das Ausmaß der Komplexität der glaziale Geologie ist in Bild 13 (flüssige-breiige sandige Schluffe, dicht bis sehr dicht gelagerte Kiese, organische Sande, Torf und steif bis halbfester Seeton in einer einzigen Ortsbrust) eindrucksvoll dargestellt. Bei jeder einzelnen Vortriebsetappe konnte man tatsächlich alle dem Geotechniker bekannten Konsistenzen, Lagerungsdichten und Böden erkennen – von dicht bis sehr dicht gelagerten Kiesen bis hin zu flüssig-breiigen, sandigen Schluffen. Dies erforderte einen intensiven Austausch aller Projektbeteiligten, insbesondere zwischen Tunnelbau und Spezialtiefbau.
Bei Horizontal-DSV-Arbeiten in seichtliegenden Tunneln ist besonders großes Augenmerk auf Einbauten wie Kanalisationen, Sickerleitungen (Drainagen), Keller sowie bestehende Bodenverbesserungen (wie Rüttelstopfverdichtung) oder Tiefgründungen zu richten. In heterogenen Böden können die unterschiedlichen Durchlässigkeiten der Grund dafür sein, dass Wegigkeiten im Untergrund bestehen, durch die das Injektionsgut große Entfernungen zurücklegen kann und sogar Einbauten treffen kann, die nicht unmittelbar im Einflussbereich des Tunnelvortriebs sind.
Deshalb ist gerade bei Spezialtiefbauprojekten in innerstädtischem Gebiet darauf zu achten, dass die Anwohner und Betroffenen frühzeitig in das Bauprojekt eingebunden werden, und dass das Oberflächenmonitoring über eine hohe Auflösung verfügt, um Auswirkungen des Tunnelbaus unmittelbar erkennen zu können.
Hinsichtlich der Ergänzung des Sicherheitskonzepts mit Horizontal-DSV-Säulen entlang der Ausbruchslaibung kann abschließend resümiert werden, dass die Kombination aus Rohrschirm und DSV-Zwickelabdichtung problemlos herstellbar ist und zuverlässig funktioniert hat (Bild 14) – auf eine entsprechende Aufweitung des Sägezahnprofils in Tunnellängsrichtung sei allerdings hingewiesen.
References/Literatur
[1] Zimmermann, A.; Schneider, A.: Südumfahrung Küssnacht, Tunnel Burg – Lockergesteinsvortrieb unter anspruchsvollen Bedingungen, Swiss Tunnel Congress 2019
[2] Dr. Heinrich Jäckli AG (jäckli geologie): Südumfahrung Küssnacht, Abschnitt Ebnet–Räbmatt, Los 02, Geologische Baubegleitung Tunnel Burg, Ergänzende geologische Untersuchungen, vorläufige Befunde per 28.7.2017
[3] Dr. Heinrich Jäckli AG (jäckli geologie): Südumfahrung Küssnacht, Abschnitt Ebnet-Räbmatt, Los 02, Geologische Baubegleitung Tunnel Burg, Ergänzender geologisch-geotechnischer Bericht, 18. August 2017
[4] INGE Küssnacht (BG Ingenieure und Berater AG, Locher Ingenieure AG, Rothpletz Lienhard + Cie AG): Ausführungsprojekt Südumfahrung Küssnacht, Abschnitt Ebnet–Räbmatt
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