Neue Technologie für die Erstellung von Slot Holes

Weltweit müssen in vielen Untertagebergwerken eine große Anzahl von vertikalen oder geneigten steigenden Bohrungen mit kleinem Durchmesser (Slot Holes) hergestellt werden. Hierfür hat die Herrenknecht AG eine neue Boxhole Boring Machine (BBM) entwickelt und zum Einsatz gebracht (Bild 1). Ihr Konzept basiert auf der bewährten Mikro-Tunnelvortriebstechnologie (Pipe Jacking) – ein Bereich, in dem das Unternehmen auf eine 25-jährige Erfahrung in weltweiten Projekten zurückblicken kann.

1 Einleitung

Die innovative BBM verfolgt das Ziel, die Arbeitssicherheit maßgeblich zu erhöhen und gewährleistet durch eine kompakte Bauweise den Einsatz auch bei sehr eingeschränkten Platzverhältnissen. Im Vergleich mit dem konventionellen Sprengvortrieb werden mit der BBM höhere Vortriebsleistungen erreicht und infolge dessen der Zeitaufwand zur Herstellung der Bohrung deutlich reduziert. Je schneller und sicherer die Bohrungen erstellt werden, desto früher kann die eigentliche Produktion in der Mine aufgenommen bzw. fortgesetzt werden.

Heute wird die BBM hauptsächlich in Gold-, Kupfer- und anderen Erzuntertagebergwerken eingesetzt, die meistens nach dem Blockbruchbauverfahren erstellt werden. Dabei wirkt die BBM maßgeblich im Produktionsprozess zur Erstellung der Erzentnahmestellen mit. Weitere Anwendungen sind das Auffahren von Wetterschächten oder das Erstellen von Rolllöchern für den Erztransport zwischen der Produktionssohle und der Fördersohle. Erste Ergebnisse der BBM zeigen, dass die Maschine in der Lage ist hohe und konstante Vortriebsraten zu erzielen und garantiert im Einsatz, im Vergleich zu anderen Verfahren, eine hohe Mobilität und Flexibilität.

2 Das BBM-Konzept

Die Boxhole Boring Machine wurde für die schnelle und sichere Herstellung von steigenden vertikalen und geneigten Bohrungen (±30° aus der Senkrechten) in standfesten Felsformationen mit einem Durchmesser von bis zu 1,5 m und einer Länge von maximal 60 m entwickelt. Bei der Entwicklung wurde ein besonderes Augenmerk auf eine verbesserte Arbeitssicherheit, eine höhere Produktivität und eine optimale Mobilität der Anlage gelegt. Durch den Einsatz einer Fernbedienung kann der Bediener die BBM außerhalb der Gefahrenzone überwachen und steuern. Ein schneller Einsatzortwechsel der BBM sowie ein geringer Platzbedarf waren dabei Schlüsselfaktoren bei der Entwicklung.

Für den Transport der BBM zwischen den Einsatzorten unter Tage dient ein Raupenfahrwerk, welches eine hohe Mobilität und eine hohe Flexibilität in räumlich begrenzten Untertagebergwerken ermöglicht. Eine modulare Bauweise ermöglicht dabei den Einsatz auch bei engen Platzverhältnissen. Dazu kann der Pressenrahmen mit der Bohreinheit, die Leitungstrommel und das Antriebsaggregat voneinander getrennt positioniert werden.

Die Bohreinheit befindet sich in der Transportsituation im Pressenrahmen. Dieser wird vor Ort auf die korrekte Position und den gewünschten Bohrwinkel ausgerichtet. Um die Anlage zu stabilisieren und um den nötigen Andruck sowie das nötige Drehmoment in den Fels übertragen zu können, wird der Pressenrahmen gegen die Sohle und die Firste verspannt (Bild 2). Daher kann auf eine aufwändige Fundamentherstellung und sonst übliche vorbereitende Ausbrucharbeiten am First verzichtet werden. Vergleichbar mit dem herkömmlichen, horizontalen Rohrvortrieb werden die Druckkräfte aus dem Pressenrahmen über Stahlrohre bis in den Bohrkopf übertragen.

Der Bohrkopf ist für Hartgesteinsgeologien von 180 MPa und mehr ausgelegt und mit Hartmetalleinsätzen bestückten Mehrringschneidrollen ausgestattet. Alternativ können auch andere Bohrkopfvarianten eingesetzt werden, die beispielsweise mit 1-Ring-Schneid­rollen bestückt sind.

Das abgetragene Bohrklein fällt durch die Schwerkraft durch einen Trichter und eine Führung im Zentrum der Bohreinheit, gelangt über die Vortriebsrohre zur Materialrutsche am Pressenrahmen und wird letztendlich in einem Materialkübel gesammelt und abtransportiert. Je nach Minenanforderung sind für den Materialabtransport auch angepasste Lösungen denkbar.

Nach jedem Vortriebsmeter wird der Bohrprozess kurzzeitig gestoppt und der Rohrstrang mit der Bohreinheit von einer Haltevorrichtung fixiert, so dass das nächste Vortriebsrohr im Pressenrahmen installiert werden kann. Die Installation erfolgt dabei mit Hilfe eines Radladers.

Eine Losbrecheinheit ermöglicht es, das Vortriebsrohr um ± 10° zur eigenen Achse zu drehen, falls sich dieses im Bohrloch verklemmen sollte. Dieser Mechanismus ist im Pressenrahmen integriert.

Ist die gewünschte Bohrtiefe erreicht, wird die Bohreinheit zurückgezogen. Die Vortriebsrohre werden Stück für Stück nach unten ausgebaut, bis der Rohrstrang komplett aus dem Bohrloch ausgebaut ist und sich die Bohreinheit wieder im Pressenrahmen befindet. Anschließend kann die BBM zum nächsten Einsatzort gefahren werden.

Der Betrieb der Boxhole Boring Machine erfolgt vollständig per Fernsteuerung. Das Raupenfahrwerk, mit der die Anlage zum nächsten Einsatzort transportiert wird, ist ebenfalls vollständig ferngesteuert. Der Maschinenführer hält sich während des gesamten Betriebes in einem sicheren Bereich auf, sowohl während des Bohrbetriebs als auch während des Transportes.

3 Feldversuch im Schwarzwald

Nach Montage des Prototypen der BBM1100 Anfang 2011 sollte diese unter realen Bedingungen getestet werden. Ein kleines Bergwerk, nahe des Herrenknecht-Werks im Schwarzwald (Süddeutschland), die „Grube Clara“ der Sachtleben Bergbau GmbH & Co. KG, bot sich hierfür aufgrund optimaler Voraussetzungen für einen Feldversuch an. Über einen Zeitraum von 4 Wochen wurde eine Vielzahl von ausführlichen Testbohrungen erfolgreich durchgeführt (Bild 3).

In schwierigen Gebirgsformationen mit einer Gesteinsdruckfestigkeit (UCS) von bis zu 250 MPa konnten vertikale und geneigte Testbohrungen mit einem Durchmesser von 1,1 m und einer Länge von 9 m innerhalb von 5 Stunden gebohrt werden (Bild 4). Gleich zu Beginn wurden Vortriebsgeschwindigkeiten von 80 bis 100 mm/min erreicht. Während der Testphase konnten wertvolle Daten gesammelt werden, um die Betriebsparameter und die Bedienung unter realen Bedingungen vor Ort zu optimieren.

4 BBM goes Down Under – Einsatz im Cadia East Underground Project

Nach der erfolgreichen Testphase erfolgte die Verschiffung der BBM nach Australien zu ihrem Einsatzort, der Mine Cadia East Underground in New South Wales, 260 km westlich der australischen Metropole Sydney. Östlich von „Cadia East Underground“, am Cadia Hill, wird bereits seit langem im Tagebau Gold und Kupfer gefördert. Umfangreiche Bodenuntersuchungen stellten weitere Erzvorkommen fest. Newcrest Mining Limited, einer der führenden Entwickler und Betreiber von Gold- und Kupferbergwerken, fördert die Erzvorkommen in Cadia und begann im Jahr 2005 mit der Erschließung der Rohstoffreserven in „Cadia East“. Die Erzvorkommen erstrecken sich auf eine Fläche von ca. 2,5 km Länge, 600 m Breite und bis in 1,9 km Tiefe. Die Reserven dieses Erzvorkommens werden auf etwa 19 Mio. Unzen Gold und 3 Mio. t Kupfer geschätzt. Damit ist Cadia East die größte Untertagemine in Australien und die tiefste Blockbruchbau-Untertagemine der Welt, mit einer Lebensdauer von etwa 30 Jahren.

Die Vorbereitungen zur Erschließung der Erzlagerstätten befinden sich derzeit in vollem Gange, 2013 soll mit der Produktion begonnen werden. Die BBM der Herrenknecht AG wird derzeit im Produktionslevel zur Erstellung der Erzentnahmestellen eingesetzt und ist somit wichtiger Bestandteil bei der Erstellung der Mine.

Mancala Pty Ltd., eine Gruppe von privaten Unternehmen, die spezialisierte Dienstleistungen wie Design, Engineering, Konstruktion und Abbau für die australische Bergbau- und die Bauindustrie bereitstellen, hatte im Oktober 2010 eine BBM1100 bestellt. Nach der Verschiffung und der Inbetriebnahme im September 2011 in Australien wurde die BBM nach Cadia East transportiert. Während des Testlaufs und der Abnahme in ca. 700 m Tiefe wurden 3 vertikale Testbohrungen mit einer Länge von ca. 18 m, in kluftigen und blockhaften Gesteinsformationen mit einaxialen Gesteinsdruckfestigkeiten (UCS) von bis zu 200 MPa, erfolgreich gebohrt (Bild 5).

Seit Anfang November 2011 befindet sich die BBM1100 auf der Produktionssohle von Cadia East in ca. 1.000 m Tiefe und wirkt dort maßgeblich bei der Erstellung der Erzentnahmestellen für den späteren Produktionsprozess mit.

Bis heute wurden bereits mehr als 40 Bohrungen (Status Juni 2012) mit einer durchschnittlichen Länge von 16,5 m hergestellt, bei einer durchschnittlichen Vortriebsleistung von 1,5 m/h. Die Bohrmannschaft konnte bis zu 3 Bohrungen pro Woche im Einschichtbetrieb (inkl. Installati­onsarbeiten, Vortrieb und Transportvorbereitungen) umsetzen und bietet dem Minenbetreiber und Auftraggeber somit Sicherheit in dessen weiteren Planung.

5 Fazit und Ausblick

Die Boxhole Boring Machine (BBM1100) wird heute erfolgreich im Cadia East Underground Project in Australien unter realen Bedingungen eingesetzt. Hohe Vortriebsleistungen konnten über die gesamte Einsatzdauer erreicht werden. Bis heute wurden so mehr als 40 Bohrungen erstellt.

Die BBM-Technologie von Herrenknecht bietet Minen, Planern und Auftraggebern ein alternatives Konzept zur bisherigen Herstellung von Bohrlöchern unterschiedlicher Durchmesser und Bohrlängen. Die BBM-Technologie ist individuell auf die Minenanforderungen anpassbar und somit für fast jede Mine einsetzbar.

Aufgrund der positiven Resultate in Bezug auf Erhöhung der Arbeitssicherheit, Mobilität und Unabhängigkeit der Anlage, der im Minen-Einsatz erreichten Vortriebsleistung, Service und der kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung des Produktes während des Ersteinsatzes der Anlage in Australien, sind bereits 3 weitere Boxhole Boring Maschinen entwickelt und montiert worden. Dabei handelt es sich um 2 baugleiche Maschinen vom Typ BBM1100 für den Einsatz in Minen Australiens und um eine Weiterentwicklung vom Typ BBM1500 für den chilenischen Markt. Dort wird die BBM1500 Bohrlöcher mit einer Länge von 60 m und einem Durchmesser von 1.500 mm für unterschiedliche Nutzungen eingesetzt.

Danksagung

Großer Dank gilt der Arbeitsgruppe der Grube Clara der Sachtleben Bergbau GmbH & Co. KG für die Unterstützung während der Testphase des Prototypen.

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