Vertikalschachtbau am Pumpspeicherkraftwerk Vianden/Luxemburg

Die Kapazitäten des Pumpspeicherkraftwerks Vianden in Luxemburg werden erhöht. Teil der zu errichtenden Bauwerke ist ein vertikaler Druckschacht, der mit Hilfe eines von Herrenknecht und Edilmac dei F.Ili Maccabelli S.r.l. neu entwickelten Raise Boring Rigs gebohrt wurde.

1 Neue Kapazitäten für das Pumpspeicherkraftwerk Vianden

Das Pumpspeicherkraftwerk (PSW) Vianden/Luxemburg wurde 1963/1964 mit 9 Maschinensätzen in Betrieb genommen und Mitte der 1970er Jahre um einen 10. Maschinensatz erweitert. Pumpspeicherkraftwerke dienen vornehmlich der Spitzenlastabsicherung. Wasser fließt von einem höher gelegenen Becken (Oberbecken) durch Pumpturbinen in ein niedriger gelegenes Becken (Unterbecken) und erzeugt auf diese Weise elektrischen Strom. Bei Bedarf, beispielsweise einem Überangebot auf dem Strom-Markt, wird das Wasser wieder vom Unter- in das Oberbecken gepumpt. Das PSW Vianden verfügt mit den bisher 10 Maschinensätzen über eine Kapazität von 1.100 MW. Die Betreiberin, die Société Électrique de l‘Our (SEO), erweitert die Kapazität um 200 MW durch die Installation eines 11. Maschinensatzes, der die vorhandenen Ober- und Unterbecken nutzt, aber über ein eigenes System von Wasserwegen sowie Ein- und Auslaufwegen verfügen wird.


Mit dem Bau der Anlagen zur Unterbringung der 11. Maschine wurde die Arge PSW Vianden Los 1, bestehend aus den Firmen Züblin, Strabag und Jäger beauftragt. Der Auftrag beinhaltete unter anderem im Oberbecken einen Ein-/Aus­laufturm mit sich unten anschließendem vertikalem Druckschacht (Bild 1).


2 Bau des Druckschachtes

Der Auftrag zur Erstellung des Druckschachtes erging durch die Arge Vianden an Edilmac dei F.lli Maccabelli S.r.l. Der Druckschacht reicht über 300 Höhenmeter vom Oberbecken bis auf das Krafthausniveau herab. Nach Durchlaufen eines vertikalen Krümmers verbindet ein 240 m langer, flach geneigter Druckstollen mit dem Krafthaus. Vertikalschacht, Krümmer und Druckstollen erhalten eine Stahlpanzerung, die auf den vollen möglichen Außenwasserdruck ausgelegt ist. Druckschacht und Stollen erhalten einen Innendurchmesser von 4,50 m.

Das Projektgebiet befindet sich in den tonigen bis feinsandigen Schluffschiefern der Siegen- und Ems-Stufen des Unterdevon, wobei von durchweg sehr geringen bis undurchlässigen Grundwasserverhältnissen ausgegangen wurde. Laut Ausschreibungsunterlagen war der Einsatz des Raise-Boring-Verfahrens für den Bau des vertikalen Druckschachtes vorgesehen.


3 Einsatz des Raise Boring Rigs

Nach dem Auftragseingang im April 2010 entwickelte Herrenknecht das Raise Boring Rig 550 VF (Bild 2). Hierbei flossen die kundenspezifischen Vorgaben in die Auslegung des Rigs ein. Die erfolgreiche Werksabnahme fand am 5. Oktober 2010 statt. Begünstigt durch den kompakten, modularen Aufbau konnte das Rig mit wenigen Transporten vom Werk in Schwanau auf die Baustelle Vianden geliefert werden, wo es am 8. Oktober 2010 eintraf.


3.1 Beschreibung des Raise-Boring-Verfahrens

Beim Einsatz eines Raise Boring Rigs für ein Schachtbauwerk in standfestem Gebirge erfolgt im ersten Schritt der Aufbau des Rigs über dem Schachtansatzpunkt mittels Raupenfahrwerk oder Kran. Von hier startet die vertikale Pilotbohrung mit der Bohrkrone nach unten (Bild 3a). Bei Bedarf kann die Pilotbohrung auch in einem Winkel von bis zu 45° durchgeführt werden. Das Bohrklein wird während der Pilotbohrung durch ein Spülmedium (z.B. Wasser, Luft) ausgespült. Je nach Bohrtiefe werden sukzessive weitere Bohrgestänge eingebaut, bis die Zieltiefe, d.h. der bereits bestehende Tunnel oder die Kaverne angebohrt ist. Nach dem Erreichen der Zieltiefe wird die Bohrkrone der Pilotbohrung in der Kaverne demontiert und der Reaming Head (Aufweitungsbohrkopf) (Durchmesser typischerweise 1 bis 7 m) am Bohrstrang montiert. Das Rig zieht den Reaming Head am Bohrstrang nach oben (Bild 3b). Durch die Drehung des Bohrkopfes wird das Material abgebaut und fällt nach unten, von wo es abtransportiert wird. Der Schacht wird von unten nach oben im Durchmesser des Bohrkopfes auf das Zielmaß aufgeweitet.

Gegenüber dem konventionellen Schachtbau ist beim Einsatz eines Raise Boring Rigs die Sicherheit für das Personal signifikant erhöht, da es außerhalb des eigentlichen Schachtes arbeitet. Darüber hinaus können deutlich höhere Vortriebsgeschwindigkeiten erreicht werden. Die Schachtwandung fällt generell glatter aus bei einem gleichzeitig reduzierten Mehrausbruch. Das Schuttern auf einem unteren Level ist mit weniger Aufwand verbunden. Da weniger Personal für den Betrieb des Rigs benötigt wird als beim konventionellen Vortrieb, lassen sich hier bedeutende Kosteneinsparungen erzielen.


3.2 Ablauf der Bohrung in Vianden

Bei der Baustellenmontage musste das Baustellenteam im 45 m hohen Ein-/Auslaufturm das Raise Boring Rig 550 VF unter deutlich beengten Platzverhältnissen montieren. Die Baustellenmontage war trotzdem bereits nach 3 Tagen abgeschlossen. Am 16. November 2010 konnte das Rig planmäßig in Betrieb genommen werden und die Pilotbohrung (Durchmesser 15”/381 mm) abgeteuft werden. Im Verlauf des nachfolgenden Reamings (Durchmesser 5.460 mm) wurden durchschnittlich 10 m/Tag erreicht (max. 18 m/Tag).

Bei den sich abwechselnden geologischen Bedingungen von lockerem zu hartem Gestein mit maximalen Druckfestigkeiten von bis zu 130 MPa bewährte sich besonders die Maschinensteuerung, die einen störungsfreien Bohrvorgang sicherstellte. Mit 40 Bohrtagen wurde die Zeitplanung für Aufbau, Pilotbohrung, Aufweitbohrung und Demontage eingehalten. Am 18. Januar 2011 konnte der Vortrieb des 282 m langen Schachtes erfolgreich abgeschlossen werden (Bild 4a und 4b).


3.3 Charakteristika des Raise Boring Rigs 550 VF

Das RBR 550 VF ist eines der größten jemals eingesetzten Rigs dieser Art. Es zeichnet sich durch einen kompakten, modularen Aufbau aus und verfügt über einen leistungsstarken und hocheffizienten mittenfreien Antrieb. Das bei Herrenknecht vielfach bewährte frequenzumrichter-gesteuerte Antriebskonzept ermöglicht eine variable Geschwindigkeits- und Drehmomentkontrolle. Das Rig ist ausgelegt auf Schachtlängen von bis zu 1.000 m. Das mechanisierte Bohrgestänge-Handling sorgt sowohl für effizientere Arbeitsabläufe als auch für eine höhere Sicherheit des Personals beim Ein- und Ausbau der Bohrgestänge.


4 Zusammenfassung

und Ausblick

Das Raise Boring Rig 550 VF hat sich bereits bei seiner Premiere in Vianden mit hoher Zuverlässigkeit bewährt. Der Druckschacht für den 11. Maschinensatz des Pumpspeicherkraftwerks Vianden wurde schnell und sicher aufgefahren. Die Inbetriebnahme des 11. Maschinensatzes ist für das dritte Quartal 2013 vorgesehen. Unmittelbar nach dem Einsatz in Luxemburg schließt sich für das Raise Boring Rig 550 VF die nächste Bohrung an: ein Belüftungsschacht (Durchmesser 4.760 mm, Tiefe 280 m) für den Tunnel einer Umgehungsstraße in Bozen/Italien. Auf der Baustelle in Bozen bewährte sich das Raupenfahrgestell des RBR 550 VF, womit der hier schwer zugängliche Einsatzort gut erreicht werden konnte.

Das maschinelle Auffahren von Schächten mittels Raise Boring Rig bietet sich für eine Reihe von Anwendungen an: Belüftungsschächte, Schächte zum Schuttern oder zum Erztransport, Förderschächte, Versorgungsschächte (Energie, Wasser, Luft) sowie Druckschächte für Wasserkraftwerke wie im hier beschriebenen Fall.

Datentabelle: Raise Boring Rig 550 VF ViandenPumpspeicherkraftwerk Vianden / LuxemburgBauherrSociété Electrique de l‘Our S.A.Kunde/MaschinebetreiberEdilmac dei F.lli Maccabelli S.r.l./ItalienSchachttiefe282 mSchachtdurchmesser5.460 mmPilotbohrung15”/381mmVortriebsstart16. November 2010Durchbruch18. Januar 2011Bester Vortriebswert (Reaming)18,2 m am 12. Januar 2011Gesteinsfestigkeit bis zu 130 MPa

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