Deutschland

Stuttgart 21: Transport von 8 Millionen Tonnen Abraum

„Jetzt ist Bergfest. Die Hälfte ist weg, und das Ende der Transporte ist absehbar“, sagt Wolf-Dieter Tigges, Leiter der Zentralen Baulogistik (ZBL) beim DB Projekt Stuttgart–Ulm. Seine Abteilung ist seit Juni 2014 für den Abtransport von Bodenmaterial zuständig, das auf den innerstädtischen Baustellen für den zukünftigen Bahnknoten in Stuttgart anfällt. Am 24. April 2017 verließ der 4000. Zug die Umschlagflächen der Baulogistik am Nordbahnhof – damit waren vier von acht Millionen Tonnen Erde und Gestein aus den Baustellen von Hauptbahnhof und angrenzenden Tunneln abtransportiert.

40 Millionen Tonnen Abraum im Gesamtprojekt

Insgesamt fallen beim Teilprojekt Stuttgart 21 Massen im Umfang von rund 20 Millionen Tonnen an. Die acht Millionen Tonnen Erdaushub und Tunnelausbruch, die über die Zentrale Baulogistik abtransportiert werden, entstammen den Projektabschnitten 1.1 (Talquerung mit Hauptbahnhof), 1.2 (Fildertunnel), 1.5 (Zuführungen Feuerbach und Bad Cannstatt mit S-Bahn) und 1.6a (Zuführungen Ober- und Untertürkheim). Zudem werden in den beiden dezentralen Logistikbereichen Filder und Neckar zusammen rund zwölf Millionen Tonnen Abraum direkt durch die beauftragten Bauunternehmen entsorgt. Auf der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm fallen weitere rund 20 Millionen Tonnen Abraum an, die ebenfalls durch die verantwortlichen Bauunternehmen entsorgt werden müssen.

 

Logistiksystem mit Wechselcontainern für Straße und Schiene

Ein Zug kann circa 1000 Tonnen Bodenmaterial befördern, und in Hochzeiten fahren bis zu 13 Züge pro Tag vom ZBL-Gelände ab. „Eine Bewegung von Bodenmaterial dieser Menge auf so engem Raum gab es bei Großbauprojekten der Deutschen Bahn noch nie“, erklärt Tigges. Ebenfalls einzigartig ist das Gesamtkonzept der Baulogistik. Dazu wurde ein System mit Wechselcontainern für den kombinierten Verkehr auf Straße und Schiene entwickelt, das auch bei zukünftigen Großprojekten der Deutschen Bahn zum Einsatz kommen soll. Durch die Nutzung der gelben Wechselcontainer, die auf Zug und LKW gleichermaßen aufgesetzt werden können, verläuft der Abtransport von Erde und Gestein effizient und umweltschonend. Es wird fast ausschließlich über die Schiene abtransportiert. LKW müssen keine langen Wege fahren, und die Umladevorgänge zwischen den Transportfahrzeugen werden reduziert – das spart Zeit und CO2. Für dieses Logistikkonzept erhielt das Team um Projektleiter Tigges 2016 eine bahninterne Auszeichnung.

 

 

Klassifizierung des Abraums

Im günstigsten Fall wird Erde und Gestein bereits auf der Baustelle untersucht, nach Bodenarten eingeteilt und dementsprechend in die Container verladen. Von da aus geht es direkt zum Abfahrtsort des Güterzuges. Auf manchen Baustellen ist eine Untersuchung vor Ort allerdings nicht möglich; dann beginnt die Bodenuntersuchung und -einteilung erst bei einer Zwischenlagerung. Nach der Einteilung in der Zwischenlagerung wandert die Erde in den gelben Containern zum Abfahrtsort. Dort hievt ein spezieller Stapler (Reachstacker) die Container einfach vom LKW auf den Zug. Am Ankunftsort angekommen, können die Container wieder problemlos auf einem LKW platziert werden – alles ohne zeitintensives Umladen. Die Umschlagfläche im Bereich des Nordbahnhofs ist mit zwei Verladebereichen und mehreren Abstellgleisen sehr groß bemessen. Dadurch ist die Entsorgungssicherheit auch zu Spitzenzeiten gewährleistet.

 

Baulogistik auf bahneigenen Flächen

Die ZBL (Umschlagfläche und Baustraßen) ist überwiegend auf bahneigenen Flächen eingerichtet. Dazu wurde unter anderem das Gütergleis zwischen Stuttgart Nord und Stuttgart Hauptbahnhof zurückgebaut. Später nutzt die Landeshauptstadt Stuttgart diese Flächen zur städtebaulichen Entwicklung.

Die für die Abraumanlieferung eingesetzten LKW beanspruchen kaum die öffentlichen Straßen, sondern verkehren auf den extra eingerichteten Baustraßen. Die ohnehin schon stark befahrenen Einfallstraßen in die Stadt werden daher nicht noch zusätzlich belastet.

 

Anwohnerschutz rund um die Baustelle

Die Bahn hat spezielle Lärmschutzmaßnahmen umgesetzt. An der Baustraße, die von der Innenstadt zur Umschlagfläche führt, wurde im Bereich der Rosensteinstraße eine 4 m hohe Lärmschutzwand auf rund 250 m Länge errichtet. Die Anwohner profitieren von dieser Maßnahme im doppelten Sinne, denn die Lärmschutzwand mindert auch spürbar die Geräusche des regulären Bahnbetriebs.

Der Baustellenstaub und die Lichtemissionen hätten sich bei der Bevölkerung darüber hinaus als herausragendes Problem hervorgetan, erläutert Wolf-Dieter Tigges: „Dagegen macht das Projekt aber eine Menge: Das Lichtkonzept ist auf die Bedürfnisse angepasst worden. Nach 22 Uhr ist kein Licht mehr da und vor 7 Uhr geht kein Licht an. Für den Staub sind entsprechende Staubmessstellen eingerichtet worden, die uns jederzeit einen Überblick darüber verschaffen, welche Emissionen eingeleitet werden.“

 

Verminderter Ausstoß von Treibhausgasen

Bis zu 400 m lange Güterzüge mit jeweils rund 20 Güterwagen fahren zu den Deponien oder den Wiederverwertungsstellen. Durchschnittlich kompensiert eine Zugfahrt rund 40 LKW-Fahrten, wodurch 76 Prozent Kohlendioxidäquivalente (CO2e) eingespart werden. Der pauschale Umweltvergleich zwischen Straße und Schiene, der keine Strecken- und Lastprofile berücksichtigt, errechnet für den Schienentransport von 1000 Tonnen Erde und Gestein auf einer Strecke von 500 km rund 30 Tonnen weniger CO2e.



Wiederverwertung des Tunnelaushubs

Die Steine und Erde, die auf den innerstädtischen Baustellen für den Hauptbahnhof und den Tunnelbau anfallen, sind mitunter wertvoller Baustoff für andere Großbaustellen oder ökologische Wiederaufbereitungen. Die Deutsche Bahn beliefert unter anderem die Landesgartenschau 2018 in Lahr mit dem S21-Bodenmaterial. Auf verschiedenen Deponien wird der Stuttgarter Boden zur ökologischen Renaturierung verwendet, wie im thüringischen Kohnstein, in Amsdorf (Sachsen-Anhalt) oder in Michelbach an der Bilz im Landkreis Schwäbisch-Hall. Auch für die weiteren Logistikbereiche von Stuttgart 21 gilt: Tunnelaushub ist kein Abfall und wird bei Bedarf wiederverwertet. So zum Beispiel auf der Baustelle für das neue Bürogebäude des Bio-Supermarktes Alnatura in Darmstadt.

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