Neue U-Bahn-Linie U4 in Hamburg

Mit der im Bau befindlichen U-Bahn-Linie U4 soll Europas größtes Stadtentwicklungsprojekt, die HafenCity, an das Hamburger Schnellbahnnetz angeschlossen werden. Rund 50.000 Menschen werden hier in wenigen Jahren leben und arbeiten. Der Beitrag gibt einen Überblick über das Gesamtprojekt, erläutert den Schildvortrieb und zeigt die aktuelle Entwicklung auf.

1 Überblick über das Gesamtprojekt

Die neue U-Bahn-Linie U4 in Hamburg ist wichtiger Standortfaktor für die Entwicklung des Quartiers und die Lebensqualität seiner Bewohner. Sie wird die HafenCity mit der Innenstadt und dem Hauptbahnhof verbinden und schafft gleichzeitig die Voraussetzung für den „Sprung über die Elbe“, eine direkte, leistungsfähige Verkehrsanbindung für die Hauptwachstumsachse im Süden der norddeutschen Großstadt.

Die Hamburger Hochbahn AG als zukünftiger Betreiber der Strecke hat 2007 die Arbeitsgemeinschaft Arge U4 HafenCity, bestehend aus den Hochtief Solutions AG, Ed. Züblin AG, Aug. Prien Bauunternehmung GmbH & Co. KG und HC Hagemann construction group GmbH & Co. KG, für rd. 200 Mio. Euro mit dem Rohbau beauftragt.

Die Realisierung der rd. 4 km langen U-Bahnlinie erfolgt in 3 Bauabschnitten (Bild 1). Im Innenstadtbereich (Bauabschnitt 1) wird die Trasse an der Haltestelle Jungfernstieg in das bestehende Netz eingegliedert. Die seit der Eröffnung der U2 im Jahre 1973 noch ungenutzten Gleise in der Haltestelle werden für die U4 in Betrieb genommen. Im Zuge der Bauarbeiten wurden die Bahnsteige der U2 behindertengerecht ausgebaut und die Haltestelle modernisiert.

Für die Schildankunft wurden am Anleger Jungfernstieg 2 Zielschächte vor dem Haltestellenbauwerk mittels überschnittener Bohrpfahlwand gesichert und 24 m tief ausgehoben. Zusätzlich mussten alte Einstabanker aus der ursprünglichen Baugrubensicherung der U2 im Vorfeld der Schildeinfahrt mittels Räumungsbohrungen beseitigt werden.

Der Lückenschluss zwischen der Haltestelle Jungfernstieg und den fertigen Tunnelröhren wurde unter Vereisung des Baugrunds bergmännisch hergestellt.

In der HafenCity (Bauabschnitt 3) entstehen die beiden neuen Haltestellen Überseequartier und HafenCity-Universität. Der ca. 1 km lange Abschnitt konnte in noch unbebautem Gebiet in offener Bauweise hergestellt werden. Die Baugruben wurden überwiegend in Schlitzwandbauweise mit Unterwasserbetonsohle errichtet. Die für den Streckentunnel zwischen den Haltestellen erforderliche Querung des Magdeburger Hafens wurde mit einem Spundwandverbau gesichert.

Die Rohbauarbeiten für den Streckentunnel sowie die Haltestellen sind weitestgehend abgeschlossen. In den Haltestellen finden seit Herbst 2010 der raumbildende Ausbau sowie die technische Gebäudeausrüstung statt.

Von der HafenCity bis zum Jungfernstieg wurden die beiden U4-Tunnelröhren (Bauabschnitt 2) nacheinander im Schildvortrieb aufgefahren. Zwischen dem Startschacht an der Haltestelle Überseequartier und den Zielschächten am Jungfernstieg beträgt die Distanz etwa 2,8 km. Die Vortriebe durchfuhren wechselnde Bodenformationen wie Wasser führende Sande, Kiese, Geschiebemergel, örtlich organische Weichschichten und zudem im mittleren Streckenbereich auf etwa 1,9 km Länge Glimmerschluff und Glimmerton (Bild 2). Insgesamt wurden ca. 190.000 m³ Boden abgebaut.

Im Abstand von ca. 600 m wurden in diesem Abschnitt 4 bis zu 40 m tiefe Notausstiegsschächte mit Querschlägen zwischen den Tunnelröhren sowie ein zusätzlicher Querschlag als Fluchtwegeverbindung erforderlich.


2 Schildvortrieb

Für die Auffahrung der beiden Haupttunnelröhren wurde der Mixschild S-440 (Bild 3) in enger Abstimmung zwischen der Arge und Herrenknecht gemäß den Projektvorgaben konzipiert. So wurde z.B. das abgeschottete Sohlsegment zur Reduzierung des Verklebungsrisikos vorgesehen und der Steinbrecher so ausgelegt, dass er Findlinge mit einer Kantenlänge von bis zu 50 cm problemlos brechen konnte.

Dank einer reibungslos verlaufenden Baustellenmontage konnten die Schild- und Tunneltaufe und natürlich auch der Beginn des Vortriebs Ende Mai 2009 stattfinden. Unter regem Interesse der Hamburger Öffentlichkeit wurde die Schildmaschine auf den Namen V.E.R.A. (Von der Elbe Richtung Alster) und der Tunnel in bewährter Tradition auf den Namen der Tunnelpatin „Inga“ Unger-Freytag getauft.

Die Leistungen von Mensch und Maschine waren nach erfolgreicher „fliegender Anfahrt“ im zunächst anstehenden Sand sehr ordentlich und entsprachen in etwa dem Plan. Mit zunehmendem Tonanteil im Querschnitt nahmen dann allerdings auch die Schwierigkeiten zu. Insbesonders stellte die Kombination von hohem Verklebungspotenzial und geringer Dispergierungsneigung des Hamburger Glimmertons die Beteiligten vor enorme Herausforderungen. Hinzu kamen erschwerte Bedingungen für Drucklufteinstiege. Dementsprechend konnte statt der vorgesehenen Vortriebsleistung von rd. 10 m/Tag auf der ersten Hälfte der ersten Röhre lediglich ein Durchschnitt von 5,5 m/AT erzielt werden (Bild 4).

Erst nach Erreichen des vollflächigen Glimmertons und der damit verbundenen sicheren Position für einen mehrtägigen Drucklufteinstieg konnte die TVM so optimiert werden, dass die durchschnittliche Vortriebsleistung auf der zweiten Hälfte der ersten Röhre auf 7,7 m/AT anstieg.

Der erste Durchschlag am Jungfernstieg erfolgte schließlich mit einer sehr hohen Genauigkeit Mitte Oktober 2009. Bis zum Jahresende erfolgte die Demontage am Jungfernstieg und die Wiedermontage in der HafenCity in wiederum reibungsloser Zusammenarbeit der Arge mit Herrenknecht. Diese Phase wurde auch intensiv für Umbau- und Optimierungsarbeiten genutzt, so dass V.E.R.A. besser für die wiederum zu erwartenden Herausforderungen gerüstet war.

Die zweite Tunneltaufe mit anschließender „fliegender Anfahrt“ erfolgte trotz zweistelliger Minustemperaturen Anfang Januar 2010. Schnell konnte ein kontinuierlicher Vortrieb auf hohem Leistungsniveau erreicht werden (Bild 5). Die Optimierungen funktionierten, das Team war eingespielt und letztendlich kam dann auch das Quäntchen Glück hinzu. Es wurden beispielsweise nicht mehr so viele Findlinge angetroffen wie auf der ersten Schildfahrt und es konnten immer schnell geeignete Positionen für eine Druckluftintervention zur Beseitigung gefunden werden.

Auf der ersten Hälfte der zweiten Röhre – grob unterteilt also in den geologischen Mixed-Face-Bedingungen – konnte eine mittlere Vortriebsleistung von 8 m/AT erzielt werden. Bei der zweiten Hälfte der zweiten Röhre – überwiegend im Glimmerton – wurde noch mal eine Steigerung auf 9,25 m/AT erreicht. So wurde schließlich der Jungfernstieg bereits Ende November 2010 das zweite Mal erreicht (Bild 6). Im Vergleich zur ersten Röhre konnte also die Vortriebsdauer um 5 Monate von 16 auf 11 Monate verkürzt werden.

Bis zum Jahresende 2010 wurde V.E.R.A. nun ein weiteres Mal in ihre Einzelteile zerlegt und zum Hafen transportiert. Diesmal allerdings leider nicht, um erneut ins Rennen geschickt zu werden, sondern um den Heimweg per Schiff zum Herstellerwerk nach Schwanau anzutreten.


3 Notausstiege/Querschläge

Nach letztendlich außerordentlich erfolgreicher und qualitativ hochwertiger Fertigstellung des Rohbaus der beiden Haupttunnel rücken für das Jahr 2011 nun wieder die Notausstiege und hierbei insbesondere die Verbindungen der Tübbingröhren untereinander und die Anschlüsse der Tübbingröhren an die Notausstiegsschächte in den Fokus. Es wurde schon viel geschafft, es steht aber auch noch ein ehrgeiziges Programm an, das den Projektbeteiligten alle Erfahrung und jedwedes technisches Know-how abverlangt.


3.1 Querschlag Grasbrookpark

Der Querschlag Grasbrookpark wurde im Schutze eines DSV-Körpers in einem gelenzten Schlitzwandkasten mittels konventionellen Vortriebs in Spritzbetonbauweise aufgefahren. Aufgrund von in der Ausführungsplanung festgestellten, kaum mehr lösbaren Detailproblemen der ursprünglich vorgesehenen Vereisungsmaßnahme wurde dieses Bauverfahren nachträglich zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbart. Leider war der DSV-Körper aus bisher unbekannten Gründen teilweise lückenhaft, was zu erheblichen Komplikationen bei den Vortriebsarbeiten (Bild 7) führte. Dank der umfangreichen Erfahrung und den handwerklichen Fähigkeiten des Personals konnten letztendlich allerdings alle Herausforderungen bewältigt, der Querschlag aufgefahren und mit einer Ortbetoninnenschale ausgebaut werden. Hier fehlen nun nur noch der Durchbruch der Tübbinge der zweiten Röhre und die sich zeitlich daran anschließende Betonage der Übergangskonstruktion.


3.2 Notausstiege Dalmannkai und Alsterfleet

Beim Notausstieg Dalmannkai ist das Schachtbauwerk im Rohbau bis auf die Decke fertig gestellt. Derzeit werden hier im Schutze einer Vereisung die Anschlusstunnel zwischen Schacht und Tübbingröhren aufgefahren (Bild 8) und ausgebaut. Als besondere Herausforderung - neben der Bautechnik an sich - muss hierbei der Umgang mit den Anwohnern genannt werden. Rings um den Notausstieg befindet sich sehr hochwertige Bebauung.

Nach Fertigstellung der Tunnel stehen noch die Montage der Treppen und Podeste im Schacht – hier kommen Fertigteile zum Einsatz – sowie der Einbau des Fahrstuhls, die Betonage der Schachtdecke und abschließend die oberflächennahe Herstellung des Ausgangsbauwerkes an.

Auch am Notausstieg Alsterfleet werden die Anschlusstunnel zwischen Schacht und Tübbingröhren im Schutze einer Vereisung hergestellt. Das abzuarbeitende Programm ist nahezu identisch mit dem am Notausstieg Dalmannkai. Nur das Ausgangsbauwerk steht nicht mehr an – das konnte bereits errichtet werden.


3.3 Notausstiege Alter Steinweg und ABC-Straße

Bei den Notausstiegen Alter Steinweg und ABC-Straße bestehen die Verbindungsbauwerke zwischen Schacht und Tübbingröhren jeweils aus einem parallel zu den Haupttunneln verlaufenden Längs-stollen und einem mit diesem verbundenen Querschlag. Hier sind die Arbeiten so weit fertig gestellt, dass lediglich der Querschlagteil zur zweiten Röhre noch aussteht. Im Anschluss erfolgen auch hier der Schachtausbau und die Herstellung der Decke. Die Ausgangsbauwerke sind bereits fertig.


4 Tunnelausbau

Parallel zu den Bauaktivitäten an den Notausstiegen und Querschlägen erfolgt mit Hochdruck der Tunnelausbau. Dieser lässt sich grob in die noch durch die Arge zu erbringenden Leistungen Entwässerung, Sohle und Randbalken sowie in die anderweitig durch die Hochbahn vergebenen Arbeiten Gleisbau sowie Elektro- und Signaltechnik unterteilen.


4.1 Entwässerung, Sohle und Randbalken

Die Entwässerung der Tübbing­tunnel erfolgt über eine in der Sohle verlegte geschlitzte Kunststoffleitung, die unter einer Filterkiespackung zu liegen kommt. In regelmäßigen Abständen sind Kontrollschächte vorgesehen. Die Trennung zu den Tübbingen erfolgt über ein Vlies. Auf den Filterkies wird zunächst eine Ortbetonschicht aufgetragen, die in ihrer Beschaffenheit eher einer HGT entspricht. Anschließend wird mit einem Straßenfertiger eine Schicht Walzbeton eingebaut (Bild 9), die dann die Grundlage für den weiteren Gleisbau darstellt.

Den Abschluss der durch die Arge zu erbringenden Leistungen stellt der in Ortbeton herzustellende, unbewehrte Randbalken dar, der später als Fluchtweg im Notfall dienen wird.


4.2 Gleisbau , Elektro- und Signaltechnik

Der Gleisbau in den beiden Tunnelröhren wird im Herbst 2011 starten und komplett über den ehemaligen Startschacht der Schildvortriebsmaschine angedient. Hierfür werden im derzeit laufenden Rohbau 2 Gleisbauschächte erstellt, durch die die gesamten Materialen in die Tunnelröhren eingebracht werden.

Zunächst erfolgt in Teilbereichen der Einbau von Unterschottermatten zur Schall- und Erschütterungsreduzierung, anschließend die Einbringung von Gleisschotter mittels Dumpern und Baggern. Auf die Schotterlage werden dann in konventioneller Bauweise salzgetränkte Kiefernholzschwellen aufgebracht, auf die die Gleise mit Schienenlängen von 15 m montiert werden.

Vom fertig gestellten Gleis aus werden die Kabelkanäle verlegt und anschließend mit den Elektro- und Signalkabeln bestückt. Die Stromschiene wird seitlich der Gleise montiert und angeschlossen, sowie die Signale, Beleuchtung und Arbeitssteckdosen an den Tübbingen befestigt.


5 Zusammenfassung

Der Neubau der U4 zum infrastrukturellen Anschluss der HafenCity an das bestehende ÖPNV-System Hamburgs hat den Projektbeteiligten alles abverlangt und erfordert auch für die noch ausstehenden Arbeiten volles Engagement. Es wurden vielfältige Herausforderungen bewältigt und im Gegensatz zu vielen anderen aktuellen oder in der Vergangenheit liegenden Projekten auch vertraglich und wirtschaftlich zeitnah gelöst. Dies war nur möglich, weil alle Mitwirkenden sehr daran interessiert waren und sind, eine positive Baukultur geprägt von gegenseitigem Respekt, Vertrauen und Fairness zu entwickeln und zu pflegen. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass die noch zu bewältigenden Aufgaben ebenso erfolgreich und zur Zufriedenheit Aller abgearbeitet werden und somit die U4 gegen Ende 2012 in Betrieb gehen kann.


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