Vereinigtes Königreich

London Power Tunnels 2: Projektkoordination mit gemeinsamer Datenumgebung

Die Stromversorgung Londons erfolgt über ein ausgedehntes Netz, doch die immer wieder notwendigen Wartungsarbeiten an unterbrochenen Verkabelungen führen zu häufigen Beeinträchtigungen des städtischen Lebens. Das multinationale Strom- und Gasversorgungsunternehmen National Grid, der wichtigste Stromversorger Londons, kam zu dem Schluss, dass eine unterirdische Verlegung der Kabel die Auswirkungen der Wartungsarbeiten auf die Bevölkerung erheblich reduzieren würde. Da der Bau von Stromtunneln sehr zeit- und arbeitsaufwendig ist, teilte National Grid das Projekt in zwei Phasen auf.

32,5 km langer Tunnel zur Stromversorgung

Die erste Phase, in der der nördliche Teil des Londoner Strom- und Kommunikationsnetzes unterirdisch verlegt wurde, wurde 2011 begonnen und 2018 abgeschlossen. Die Kosten beliefen sich auf ca. 1,1 Milliarden Euro.

Die zweite Phase dieses Projekts trägt den Namen „London Power Tunnels 2“: Für rund 1,5 Milliarden Euro wird ein 32,5 km langer Tunnel gebaut, der zwei Flüsse und 15 Bahnlinien kreuzt. Zur Realisierung des komplexen Projekts ging National Grid eine Partnerschaft mit Mott MacDonald ein, einem weltweit tätigen Engineering-, Management- und Entwicklungsunternehmen. Damit es in den dicht besiedelten Stadtgebieten nicht zu Beeinträchtigungen des Schienenverkehrs und der Infrastruktur kommt, werden die Stromtunnel für diese Phase bis zu 63 m unter der Stadt gebaut. Zusätzlich zum Haupttunnel war Mott MacDonald für die Koordinierung der Arbeiten von sechs Spezialfirmen verantwortlich. Diese waren für die Errichtung von drei Umspannwerken, das Steuerhaus sowie für die Kabelverlegung zuständig. Damit der Zeitplan für das Projekt eingehalten werden kann, ist eine klare Kommunikation und der Austausch von Daten unerlässlich. 

Mott MacDonald und National Grid nutzten ProjectWise zur Erstellung einer gemeinsamen Datenumgebung, um die Project-13-Prinzipien für das Projekt anzuwenden
Credit/Quelle Mott MacDonald/National Grid

Mott MacDonald und National Grid nutzten ProjectWise zur Erstellung einer gemeinsamen Datenumgebung, um die Project-13-Prinzipien für das Projekt anzuwenden
Credit/Quelle Mott MacDonald/National Grid

Kooperative Abwicklung

Um die einzelnen Elemente des Projekts zu kombinieren und zu vereinheitlichen, haben National Grid und Mott MacDonald die Initiative „Project 13“ der British Institution of Civil Engineers übernommen. Das Ziel der Initiative ist es, die Produktivität zu steigern, die Ergebnisse zu verbessern und einen nachhaltigeren und innovativeren Planungsprozess durch eine Zusammenarbeit zu unterstützen, von der das alle Projektbeteiligten profitieren. „Der Ansatz unterscheidet sich deutlich von der Art und Weise, wie herkömmliche technische Projekte durchgeführt werden. Es wird eine gemeinschaftliche, effiziente Projektabwicklung angestrebt“, so Robin Dickenson, Senior Digital Consultant bei Mott MacDonald. „Anstelle einer gegensätzlichen, transaktionalen Projektkultur wird ein kooperatives Unternehmen geschaffen, in dem die Parteien für das Erreichen der gemeinsamen Ziele des Projekts belohnt werden.“ 

Softwarelösung für nahtlose Zusammenarbeit

Ein wesentliches Element bei der Project-13-Zusammenarbeit ist der Einsatz fortschrittlicher Technologie zur Vereinfachung des Entwicklungsverfahrens. Mott MacDonald und National Grid suchten nach einer Software, mit der sie den Wechsel hin zu einer digitalen Arbeitsweise einfach und effektiv vollziehen konnten. Damit das Ziel vollständig erreicht werden kann, muss die Software allen Interessengruppen und allen Projektbeteiligten aus verschiedenen Bereichen eine nahtlose Zusammenarbeit ermöglichen. Bei ihren bisherigen Datenverwaltungsstrategien gaben die Unternehmen Informationen nur zu bestimmten Zeiten an die Projektbeteiligten weiter. Dadurch sollten die Projektbeteiligten bei Bedarf Informationen erhalten, jedoch führte diese Praxis zu Datensilos und Engpässen. Deshalb suchten Mott MacDonald und National Grid nach einer Software, die Probleme bei der gemeinsamen Nutzung von Daten beseitigen und dem Team helfen konnte, das Projekt rechtzeitig abzuschließen.  

Spezifische Arbeitsabläufe innerhalb einer gemeinsamen Datenumgebung

Die Unternehmen entschieden, dass die Anwendungen von Bentley für das Projekt am besten geeignet waren. Zunächst richteten sie mit ProjectWise eine gemeinsame Datenumgebung ein, die sicherstellte, dass Interessengruppen und Planer aus allen Bereichen jederzeit und unabhängig von ihrem Standort Zugriff auf alle Projektdaten hatten. Anschließend entwickelte das Team Arbeitsabläufe zur Förderung des Informationsaustauschs und zur Durchsetzung von Dokumentenstandards. „Das Team hat erfolgreich eine gemeinsame Datenumgebung aufgebaut, die ISO 19650-Prozesse neben einem separaten, einzigartigen Prozess zur Nummerierung und Überarbeitung von Kundendokumenten verwalten kann. Dieser Grad der Konfiguration war für die Einführung digitaler Verfahren und die Einhaltung der Anforderungen des Kunden unerlässlich“, so Dickenson.

Im Zuge der bedarfsgerechten Konfiguration von ProjectWise haben Mott MacDonald und National Grid einen maßgeschneiderten technischen Abfrageprozess entwickelt. Durch spezifische Arbeitsabläufe und Genehmigungen konnten sie den Zugang zur Kommunikation kontrollieren und gleichzeitig Engpässe beseitigen. Zudem wurde ein benutzerdefiniertes Benachrichtigungssystem entwickelt, das durch bestimmte Vorgänge in ProjectWise ausgelöst wird und den Teammitgliedern hilft, bei Bedarf einzugreifen, ohne den Projektfortschritt zu behindern. Das Team entschied sich für „Synchro“ als Unterstützung für die Planung eines aufwendigen und umfangreichen Bauablaufs, der zeigte, wie die Arbeiten in der dichten städtischen Umgebung durchgeführt werden können.  

Sofortige Datenverteilung

Durch die Verwendung von ProjectWise konnten Mott MacDonald und National Grid die Prinzipien von Project 13 bei London Power Tunnels 2 einsetzen. Die Erstellung maßgeschneiderter Workflows ermöglichte es den Unternehmen, die auf bestimmte Bereiche spezialisiert sind, in der gleichen Produktionsumgebung wie der Kunde zu arbeiten. Diese Workflows ermöglichten eine umfassende Prüfung und Genehmigung, aber auch eine frühzeitige Sichtbarkeit für alle Interessengruppen. „[Sichtbarkeit] ist wesentlich für eine kollaborative Kultur, wie sie im Project 13-Modell erforderlich ist. So wird der Kunde als Engpass im zwischenzeitlichen Austausch von Informationen entfernt“, so Dickenson.

Bisher dauerte die Verteilung der Informationen je nach Paketumfang zwischen einer und vier Stunden. ProjectWise ermöglicht den sofortigen Informationsaustausch. Die ISO 19650-Eignungscodes geben den Teams Vertrauen in die Genauigkeit der Daten. Das Ersetzen zahlreicher Datenspeichersysteme durch eine einzige Informationsquelle hat auch den Zeitaufwand für die Einrichtung und Wartungsarbeit der Systeme erheblich reduziert. Durch die sofortige Sichtbarkeit des Projektfortschritts kann National Grid Risiken beseitigen sowie Kennzahlen zur Überwachung des Entwicklungsfortschritts extrahieren und analysieren. Mithilfe von „Synchro“ konnten die Planer die Effizienz weiter steigern und Unsicherheiten reduzieren, indem sie ein detailliertes 4D-Modell des gesamten Bauablaufs erstellten. London Power Tunnels 2 befindet sich derzeit im Bau und soll bis 2027 fertiggestellt werden.

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